Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

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Gauss an Olbers. Göttingen, 1830 Februar 22. 
No. 638. Gauss an Olbers. [301 
Göttingen, 1830 Februar 22. 
Unser Briefwechsel ist lange Zeit unterbrochen gewesen; meiner 
seits boten weder meine Arbeiten, von denen die Verarbeitung der 
vorigjährigen Messungen einen Hauptbestandtheil ausmachte, noch meine 
Lebensverhältnisse einen bedeutenden Stoff zu einer Mittheilung dar. 
Jetzt giebt mir ein Ereigniss aus den letzteren zuerst wieder die Ver 
anlassung; meine älteste Tochter, Ihre Pathe, ist seit ein paar Tagen 
die Braut eines sehr achtungswerthen jungen Mannes, unseres Pro 
fessors (der oriental. Sprachen) Ewald. Ich habe in jeder Beziehung 
die grösste Hoffnung, dass mein geliebtes Kind in dieser Verbindung 
sehr glücklich sein wird. Sie, mein theuerster Olbers, nehmen an 
meinen Vaterfreuden herzlichen Antheil. 
Das tragische Ende unseres unersetzlichen Repsold hat mich im 
Innersten erschüttert. Der grosse Künstler war zugleich ein sehr 
edler Mensch. Unsere erste Verbindung geht bis 1805 oder 1806 zu 
rück, wo wir wegen der achromatischen Objektive in einige Korrespon 
denz kamen. Ich vergesse nicht, dass er, so unerheblich jene Be 
rührung auch gewesen war, nach der Katastrophe 1 ) vom 14. Okt. 1806 
sogleich auf die delikateste Art mir mit Weib und Kind einen Zu 
fluchtsort in seinem Hause anbieten liess, wenn ich auch nicht in den 
Fall gekommen bin, eines solchen zu bedürfen. Im Jahre 1827 be 
stellte ich noch bei ihm einige neue Ablesungs-Mikroskope für den 
REicHENBACH’schen Meridiankreis, die er mir nach Jahresfrist zu liefern 
versprach. Ich hatte indessen — wie er oft mehr auf sich nahm, als 
er zu schaffen vermochte — die Hoffnung schon aufgegeben, sie noch 
zu erhalten. Indessen schreibt mir Schumacher * 2 ), dass sie wirklich 
in Arbeit genommen und fast ganz fertig sind. 
\on meiner Abhandlung 3 ) über die Gleichgewichtsfigur der Flüssig 
keiten unter der Molekular-Anziehung, die im Okt. vorigen Jahres ab- 
geliefert wurde, hat jetzt der Druck bereits angefangen. 
In den nächsten Tagen werden Sie in den G. G. M. 4 ) eine ziemlich 
*) Schlacht hei Auerstädt, in welcher Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von 
Braunschweig, Gauss Förderer und Beschützer, unter dessen Oberbefehl die preussische 
Armee stand, tötlich verwundet wurde. Vergl. auch Brief No. 150 und 151, S. 313 
bis 315 in Bd. II, 1 und Sartorius v. Waltershausen, Gauss zum Gedächtniss, 
S. 36—38. Krm. 
2 ) Brief No. 375 vom 22. Jan. im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm. 
3 ) Vergl. Brief No. 633 vom 31. Jan. 1829, ferner No. 641 vom 7. Apr. 1830 und 
die betreffende Anmerkung. Krm. 
4 ) G. G. A. 32. Stück, 1830 Fehr. 27. Gauss’ Werke Bd. IV, S. 370—381. Krm.
	        
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