Olbers an Gauss. V. H. [Bremen], 1830 September 4. 545
wie die eines 34 mal so langen gewöhnlichen Pendels. Was mich dabei
am meisten interessirt, ist die Schärfe, mit der man die Dauer der
Vibrationen bestimmen kann, und die Regelmässigkeit, mit welcher die
Ungleichheit derselben der Temperatur folgt. Ich werde meine Ver
suche damit vervielfältigen. Hier einige, wobei das Th[ermometer] sorg
fältig notirt ist:
Thermometer
Centes.
Dauer einer
Vibration
15°, 8
3 S ,352
16,8
3,364
18,2
3,378
19,4
3,395
Natürlich ist die Temperatur-Aenderung nicht, insofern sie die Länge
der Stange oder die Dichtigkeit der Luft afficirt (dieser Einfluss ist so
gut wie unmerklich), sondern insofern sie die Elasticität der Feder
verändert, das Agens, und ich glaube, dass man diesen, so viel ich
weiss, bisher noch nie quantitativ untersuchten Umstand zur Dar
stellung einer ganz neuen Art äusserst empfindlicher Thermometer
müsse benutzen können.
N0.645. Olbers an Gauss. [341
V. H. [Bremen], 1830 September 4.
Morgens 9 Uhr.
Ihr Brief 1 ) hat mich sehr erschreckt. Von Schumacher * 2 ) habe
ich bis jetzt noch nichts erhalten. Ich kenne also die Ursache Ihres
Kummers nicht, aber ich nehme im voraus den lebhaftesten, schmerz
lichsten Antheil.
*) Dieser Brief ist nicht mehr vorhanden. Zu seinem Inhalte vergi, die folgende
Anmerkung. Krm.
2 ) Gemeint ist der Brief vom 3. Sept. 1830 von Schumacher an Olbers, in
welchem Schumacher einen Brief Gauss’ zur Einsichtnahme schickt, der jedoch nicht
mehr vorhanden zu sein scheint. Die auf das Obige bezügliche Stelle lautet dort:
„Ich sende Ihnen anbei einen Brief von unserem Gauss, der mich sehr tief betrübt
„hat. Alle Untersuchungen bei der Hamburger Polizei sind vergebens gewesen, und
„der Polizei-Chef, Senator Dämmert, hält sich überzeugt, dass der junge Gauss nicht
„hier ist.
„Der Brief ist in einem so bewegten Gemüthszustand geschrieben, dass ich
„nicht ganz gewiss bin, was eigentlich Gauss will, dass Sie und ich thun sollen. Ich
Olbers. II, 2. B5