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Olbers an Gauss. Bremen, 1830 September 12.
Gern würde ich Ihnen gleich Logis in meinem Hause anbieten,
aber ich erwarte täglich, spätestens übermorgen, den Landdrosten
v. Dachenhausen, der meinen Sohn mit einem Besuche erfreuen will.
Aber ich hoffe, dass Sie und Ihr Hr. Sohn schon diesen Mittag unsere
frugale Kost mit uns theilen werden. Bis um 3 Uhr werde ich mit
dem Essen auf Sie warten. Dass ich den übrigen Tag und alle fol
genden ganz zu Ihrem Befehl bin, versteht sich von selbst.
No. 646. Olbers an Gauss. 1 ) [342
Bremen, 1830 September 12.
Ich hoffe, dass Sie glücklich und wohl in Göttingen wieder an
gekommen sind und Ihre verehrte Kranke besser vorgefunden haben.
„glaube, er wünscht, dass wir die Abreise befördern, den Ort, wohin er gebt, aus-
„mitteln und demnächst Anstalten treffen sollen, ihn dort zu unterstützen.“ ....
Ueber die Veranlassung zu der Auswanderung von Eugen Gauss giebt Prof.
Florian Cajori in der Science (1899 Mai 19, N. S. Vol. IX, No. 229) ausführlich Nach
richt. Er schreibt dort [in freier Uebersetzung wiedergegeben]: „Eugen [der auf
Wunsch seines Vaters und gegen seine eigene Neigung in Göttingen Jura studirte]
ergab sich ganz dem wilden Leben eines Göttinger Studenten, ein Schmiss in seinem
Gesicht zeugte von seiner Theilnahme an einer Mensur. Welches Leben er da führte,
können wir ungefähr aus den Erzählungen entnehmen, die wir aus Bismarck’s stür
mischer Göttinger Studentenzeit besitzen; diese begann etwa 1 Jahr später, als Eugen
die Universität verlassen hatte.
Es ereignete sich nämlich ein Zwischenfall, welcher ein ernstes Zerwürfniss
zwischen Vater und Sohn herbeiführte. Eugen gab seinen Kommilitonen ein solennes
Essen und übersandte seinem Vater die Rechnung. Als letzterer seinem Sohne des
halb Vorwürfe machte, beschloss Eugen plötzlich, Deutschland zu verlassen und nach
Amerika auszuwandern. Er ging auf und davon, ohne seiner Familie Lebewohl
zu sagen oder sonst irgend welche Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Als
Gauss von der Absicht seines Sohnes erfuhr, reiste er ihm nach und suchte ihn zur
Umkehr zu bestimmen, gleichzeitig sagte er ihm aber, dass er seinen Koffer mitge
bracht hätte und bereit sei, ihm die Mittel zur Reise zu geben, falls er entschlossen
wäre, sein Glück in Amerika zu versuchen. Der Sohn lehnte es ab, wieder heimzu
kehren, und beide reisten weiter [nach Bremen] “
Von dem bewegten Leben, das der junge Gauss in Amerika führte, geben die
folgenden Briefe noch Nachricht. Aus dem erwähnten Aufsatze von Cajori geht
hervor, dass es ihm schliesslich glückte, eine gesicherte und geachtete Existenz zu
erringen, und dass er sich mit seinem Vater wieder völlig aussöhnte, der letzte Brief
von Gauss an Olbers vom 14. Mai 1839 deutet dies auch an. Krm.
*) Nach diesem Briefe und einer Mittheilung vom 6. Sept. 1830 von Olbers an
Schumacher war Gauss vom 4. bis 7. Sept. in Bremen, um die Uebersiedlung seines
Sohnes Eugen nach New York zu bewerkstelligen. Krm.