Olbers an Gauss. Bremen, 1820 Oktober 6.
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Pupille bei kurzsichtigen Augen grösser ist, als bei weitsichtigen, so
muss diesen vielmehr die Lichtstärke der Fernrohre verhältnissmässig
kleiner erscheinen. Aber in den kurzsichtigen Augen, die ich näher zu
untersuchen Anlass hatte, war die Pupille bei gleichem Lichte Heiner,
und ich schloss daraus, dass diese für das Licht empfindlicher sind, als
weitsichtige. — Ueberhaupt ist es schwer, auch nur einigermaassen zu
bestimmen, wie weit sich die Pupille bei dunkler Nacht öffnet, da man
sie dann gerade nicht sehen kann. — Herschel nimmt dafür 0,2 eines
englischen Zolls = 2,25 Pariser Linien an, und glaubt so recht viel
anzunehmen, um, wie er sagt, die Wirkung seiner Teleskope nicht zu
überschätzen. Aber er hat sie viel zu klein genommen. In meinem
Auge ist die ganze Breite der Iris = 4,9 Par. Lin., und bei mässigem
Tageslicht war noch die Oeffnung der Pupille = 2,7 Lin., wenn sich
das Auge auf entfernte Gegenstände einrichtete. Lambert fand seine
Iris 4,7 Par. Lin. breit, und nach seiner Messung, die ich freilich nicht
für ganz genau halten kann, war seine Pupille 3,1 Linien im Durch
messer, wie er in einem verdunkelten Zimmer ein Objekt betrachtete,
das 8 bis 10 mal mehr Lichtstärke hatte als der Vollmond. Ich habe
also bei meinen Berechnungen der verschiedenen Lichtstärke der Fern
rohre wohl noch eher zu wenig als zu viel angenommen, wenn ich den
Durchmesser der Pupille, d, bei Nacht = 3 Pariser Linien setze. —
Herschel zieht die Quadratwurzel aus der Lichtstärke der Fernrohre,
und nennt diese die raumdurchdringende Kraft derselben, die er wohl
von der Vergrösserung zu unterscheiden erinnert. Ich finde es weit
natürlicher unter den beiden Faktoren der Lichtstärke, der Helligkeit
und der Vergrösserung, deren Produkt für jedes Fernrohr konstant ist,
wohl zu unterscheiden. Dadurch wird man in den Stand gesetzt, alle
die Erscheinungen, die Herschel bei seinen Teleskopen wahrgenommen
hat, so wie andere Erfahrungen, die ich selbst gehabt habe, leicht und
befriedigend zu erklären.
So kinderleicht dieser Theil von der Theorie des Sehens durch
Fernrohre auch ist, so herrschen doch bei Astronomen, weil sie nie
darüber nachgedacht haben, noch oft Vorurtheile über die Wirkung
optischer Werkzeuge, die hauptsächlich aus Verwechselung der Begriffe
von Helligkeit und Lichtstärke herrühren.
Sie würden mir einen Gefallen erzeigen, lieber Gauss, wenn Sie
mal gelegentlich den Durchmesser Ihrer Iris und Ihrer Pupille bei
mässigem Tageslicht bestimmen wollten. Sollten Sie eine solche Messung
vor dem Spiegel anstellen, so müsste die Distanz des Auges vom Spiegel
wohl zugleich mit bestimmt werden.
Bei den schönen Abenden, die wir jetzt haben, ist mir wieder der
noch nirgends erwähnte Sternhaufen in der Wade des Wassermanns