Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Olbers an Gauss. Bremen, 1820 Oktober 6. 
43 
Pupille bei kurzsichtigen Augen grösser ist, als bei weitsichtigen, so 
muss diesen vielmehr die Lichtstärke der Fernrohre verhältnissmässig 
kleiner erscheinen. Aber in den kurzsichtigen Augen, die ich näher zu 
untersuchen Anlass hatte, war die Pupille bei gleichem Lichte Heiner, 
und ich schloss daraus, dass diese für das Licht empfindlicher sind, als 
weitsichtige. — Ueberhaupt ist es schwer, auch nur einigermaassen zu 
bestimmen, wie weit sich die Pupille bei dunkler Nacht öffnet, da man 
sie dann gerade nicht sehen kann. — Herschel nimmt dafür 0,2 eines 
englischen Zolls = 2,25 Pariser Linien an, und glaubt so recht viel 
anzunehmen, um, wie er sagt, die Wirkung seiner Teleskope nicht zu 
überschätzen. Aber er hat sie viel zu klein genommen. In meinem 
Auge ist die ganze Breite der Iris = 4,9 Par. Lin., und bei mässigem 
Tageslicht war noch die Oeffnung der Pupille = 2,7 Lin., wenn sich 
das Auge auf entfernte Gegenstände einrichtete. Lambert fand seine 
Iris 4,7 Par. Lin. breit, und nach seiner Messung, die ich freilich nicht 
für ganz genau halten kann, war seine Pupille 3,1 Linien im Durch 
messer, wie er in einem verdunkelten Zimmer ein Objekt betrachtete, 
das 8 bis 10 mal mehr Lichtstärke hatte als der Vollmond. Ich habe 
also bei meinen Berechnungen der verschiedenen Lichtstärke der Fern 
rohre wohl noch eher zu wenig als zu viel angenommen, wenn ich den 
Durchmesser der Pupille, d, bei Nacht = 3 Pariser Linien setze. — 
Herschel zieht die Quadratwurzel aus der Lichtstärke der Fernrohre, 
und nennt diese die raumdurchdringende Kraft derselben, die er wohl 
von der Vergrösserung zu unterscheiden erinnert. Ich finde es weit 
natürlicher unter den beiden Faktoren der Lichtstärke, der Helligkeit 
und der Vergrösserung, deren Produkt für jedes Fernrohr konstant ist, 
wohl zu unterscheiden. Dadurch wird man in den Stand gesetzt, alle 
die Erscheinungen, die Herschel bei seinen Teleskopen wahrgenommen 
hat, so wie andere Erfahrungen, die ich selbst gehabt habe, leicht und 
befriedigend zu erklären. 
So kinderleicht dieser Theil von der Theorie des Sehens durch 
Fernrohre auch ist, so herrschen doch bei Astronomen, weil sie nie 
darüber nachgedacht haben, noch oft Vorurtheile über die Wirkung 
optischer Werkzeuge, die hauptsächlich aus Verwechselung der Begriffe 
von Helligkeit und Lichtstärke herrühren. 
Sie würden mir einen Gefallen erzeigen, lieber Gauss, wenn Sie 
mal gelegentlich den Durchmesser Ihrer Iris und Ihrer Pupille bei 
mässigem Tageslicht bestimmen wollten. Sollten Sie eine solche Messung 
vor dem Spiegel anstellen, so müsste die Distanz des Auges vom Spiegel 
wohl zugleich mit bestimmt werden. 
Bei den schönen Abenden, die wir jetzt haben, ist mir wieder der 
noch nirgends erwähnte Sternhaufen in der Wade des Wassermanns
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.