572
Olbers an Gauss. Bremen, 1831 Juni 13.
Benzenberg will sich noch nicht geben. Er rüstet vielmehr eine
neue Schrift auf künftiges Jahr zu, in der er, wie er mir schreibt,
Ihnen einen eigenen Abschnitt zugedacht hat. Er beschuldigt Sie einer
unrichtigen Rechnung, weil Sie nur für 3 Atmosphären, nicht zugleich
für den Wasserdampf gerechnet hätten. Als wenn nicht ausdrücklich
bei ihm und also auch bei Ihnen nur von völlig trockener Luft die
Rede gewesen wäre. — Er hat Schumacher aufgefordert, die Baro
meter-Messungen auf dem Michaelisthurm zu unternehmen, der ihm aber
antworten wird, er fände Experimente ganz unnütz, wodurch man
untersuchen wolle, ob 2 mal 2 wirklich 4 wäre. — Kurz, es herrscht
eine fixe Idee bei dem guten Benzenberg, und ich fürchte mich ordent
lich auf seine nun bald bevorstehende Herkunft; denn mit Leuten in
solchem Seelenzustande ist beschwerlich umzugehen.
Poisson wird Ihnen wohl schon seine Abhandlung über die Haar
röhrchen-Anziehung selbst geschickt haben? Ich kenne sie nur aus der
Einleitung, die in den Anuales de Chimie et Physiqne von Arago ab
gedruckt ist. Ich kann mir, wenn ich ihn anders recht verstehe, un
möglich denken, dass die geringere Dichtigkeit der obersten Schicht
einer Flüssigkeit hier eine besondere Rücksicht verdiene, und mit in
Rechnung zu ziehen sei, da sie doch wohl nur ganz unmerklich von
der Dichtigkeit der folgenden Schichten verschieden sein kann.
Encke hat durch sein Jahrbuch eine grosse Verbesserung in der
Comí. d. T. und dem Naut. Alm. veranlasst, die zwar erst in den Jahr
gängen für 1834 vollständig werden soll, aber doch in den mir kürz
lich zugekommenen Jahrgängen für 1833 sehr sichtbar ist.
Nun noch eine Frage und Bitte, mein theurer Freund. Sie haben
mir aus Ihren Messungen die Erhöhung des Fussbodens der Göttinger
Sternwarte über dein Spiegel der Nordsee zur Zeit der Ebbe bei Lang
warden zu 163m = 503,3 Par. Fuss, 1 ) und über Schumacher’s Baro
meter zu 357,8 Fuss 1 ) angegeben. Nach Schumacher stellt aber seine
Barometerkapsel 20,26 Toisen = 121,56 Fuss über dem Spiegel der
Ostsee. Mithin müsste die Nordsee bei der Ebbe 23,9 Fuss unter dem
Spiegel der Ostsee liegen. Ich weiss wohl, dass schon einmal von
dieser merklichen Differenz unter uns die Rede gewesen ist; allein ich
möchte nun gern wissen, ob sich dieser Umstand nicht nachher näher
aufgeklärt hat, und wie der Kontrast aufzuklären und auszugleichen
sein möchte. Es scheint mir, dass die Ostsee überhaupt höher sein
muss, als die Nordsee bei der tiefsten Ebbe, und dass auch die Ostsee
beim Ostwinde an den dänischen Küsten merklich über ihr gewölin-
) A ergl. Brief No. 541 vom 28. Jan. 1825, S. 369 und No. 549 vom 19. Febr.
1825, S. 376, ferner No. 585 vom 4. Juli 1825, S. 418. Krm.