Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Ganss an Olbers. Göttingen, 1820 December 3. 
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Erste Veranlassung gab dazu die Erinnerung an eine Erfahrung, die 
ich 1818 in Lüneburg machte, wo ich in der Entfernung von 6 Meilen 
das zufällig von einem [Sonnenstrahl getroffene]*) Fenster des obersten 
Kabinets im Michaelisthurm in Hamburg als einen überaus glänzenden 
Lichtpunkt sah. Ein Rechnungsüberschlag lässt mich hoffen, dass von 
einem gut gearbeiteten und hinreichend genau gerichteten Planspiegel 
von einem Zoll Durchmesser das reflektirte Sonnenlicht, insofern es nicht 
gar zu schief aufgefallen, in einer solchen Entfernung von 6 Meilen 
und selbst in viel grossem durch Fernrohre, wie sie an den Theodolithen 
gebraucht werden, noch immer sehr schön zu sehen sein müsste. Nichts 
hindert ja aber auch, die Spiegel, wenn es nöthig ist, noch grösser zu 
nehmen. Ein Fehler von 5' in Richtung, oder genau genommen einer, 
der nicht grösser ist als ^ Sonnendurchmesser, hindert die Brauchbar 
keit noch gar nicht. Ich habe daher über eine Maschine nachgesonnen, 
wodurch die Stellung des Spiegels überall leicht erhalten und bei ge 
höriger Achtsamkeit auch unterhalten werden kann ohne Uhrwerk und 
Weltaxe, kurz eine Art von portativem Heliostat. Mir däucht, die 
Gestalt, auf die ich nach mehreren Umänderungen gekommen bin, ist 
wohl die einfachste. Sie gründet sich darauf, dass, wenn ein Spiegel 
die Sonnenstrahlen nach einer vorgeschriebenen Richtung reflektiren 
soll, seine Fläche auf der Basis eines gleichschenkligen Dreiecks senk 
recht sein muss, während die Richtung der einen Seite nach der Sonne, 
die der andern nach dem zu erleuchtenden Objekt gekehrt ist (die beiden 
Seiten in entgegengesetzter Richtung verstanden, d. i. die eine von der 
Spitze des Dreiecks nach der Basis, die andere von der Basis nach der 
Spitze). Beiliegende Zeichnung * 2 ) wird dies wohl hinlänglich erklären. 
Haben Sie doch die Güte mir Ihre Meinung darüber zu sagen und auch 
Hrn. Tue vir Anus deswegen zu befragen, der vielleicht noch vortheil haftere 
Abänderungen ersinnt, ihn auch zu fragen, für welchen Preis ungefähr 
eine solche Maschine geliefert werden könnte. Ich möchte wohl erst 
eine zur Probe machen lassen; zeigte sie sich brauchbar, so würde ich 
aber wenigstens 2 oder 3 haben müssen. Die Dimensionen brauchten 
nicht gross zu sein, wenn die Arbeit recht akkurat wäre. Ich meine, 
ein Fernrohr von etwa 9 Zoll wäre hinreichend. Der Spiegel und das 
x ) In das Beobachtungsjournal hat Gauss bei der Messung des Winkels Ham- 
burg-Holienhorn eingetragen: „Hamburg schlecht zu sehen; das westliche von der 
Sonne beleuchtete Fenster genirte das Pointiren.“ Später hat er hinzugefügt: 
„NB. Diese Erfahrung ist die erste Veranlassung zu der im Herbst 1820 gemachten 
Erfindung des Heliotrops gewesen.“ Genaueres hierüber findet sich in Gauss’ Werken 
Bd. IX, S. 461—484. Krm. 
2 ) Die Zeichnung ist von Olbers zurückgeschickt worden und nicht mehr vor 
handen. Sch.
	        
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