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Gauss an Olbers. Göttingen, 1833 Januar 11.
2 Jahr in Poppenhagen und jetzt fast 1 Jahr in Oberbehme in der
Stellung eines Kostgängers sich der Landwirthschaft mit Eifer ge
widmet hat, scheint mir das Wünschenswerteste, dass er nun eine
Zeit lang zur Befestigung seiner Selbständigkeit in einer mit bestimmter
Verantwortlichkeit verbundenen Stellung stehe, vulgo Verwalter, und
dann nachher noch einige Zeit auf einer Universität auf Hülfstudien
wie Botanik, Chemie pp. verwendet, In Rücksicht auf seine künftige
Karriere hat er sich aber schon lange mit dem Projekt familiarisirt,
nach Amerika auszuwandern. Ich kann nicht in Abrede stellen, dass
in Deutschland für einen Landwirth, dem nur ein sehr beschränktes
Vermögen zu Gebote steht, die Aussichten eben nicht einladend sind
(für welchen anderen Lebensberuf wären sie es aber viel mehr?), und
dass wohl in der neuen Welt sich mit mässigen Mitteln viel mehr aus-
ricliten lässt, zumal da mein Sohn solide, arbeitsam und unverwölmt
ist. Ich habe daher jenes Projekt, wenn auch noch nicht bestimmt
billigen, doch auch nicht absolut verwerfen können. Mein Sohn würde
dagegen nichts lieber sehen, als wenn ich ihm erlaubte, sich je eher,
je lieber, z. B. schon im bevorstehenden Frühjahr, einer Auswanderungs
gesellschaft anzuschliessen. Dies aber habe ich bestimmt verweigern
müssen und bestehe auf der conditio sine qua non, dass er erst eine
Zeit lang in einer Stellung, wie die oben bezeiclinete ist, gestanden und
mir dadurch eine volle Bürgschaft für seine Reife gegeben habe (er ist
im 20. Jahre). Die Schwierigkeit ist nun, eine passende Stelle der Art,
wo er zugleich wo möglich noch mancherlei zuzulernen Gelegenheit
hätte, zu finden, obwohl ich hätte denken sollen, dass die Schwierig
keit nicht so gross sein könne, da er dabei gar nicht auf Salarium
zu sehen braucht. Ich selbst kann dabei wenig oder nichts thun.
Einen Versuch mache ich jetzt, da ein Freund sich verwendet, ihn bei
Nathusius anzubringen, ich weiss jedoch nicht, wie viel jener bei
diesem vermögen wird. Gelänge es, und gewönne demnächst mein
Sohn das Wohlwollen dieses Mannes, so würde ich dies um so mehr
als ein Glück für ihn ansehen, da er dort seine Kenntnisse ungemein
zu erweitern Gelegenheit fände. Vielleicht könnte sich sogar dann ein
Anhaltspunkt finden, der ihn von seinem Hauptprojekt, zu dem ich
meine Einwilligung doch nicht gern gebe, ganz ablenkte.
Von meinem zweiten Sohn habe ich ein paar Mal Nachrichten
erhalten, die wenigstens besser sind als die früheren. Er war noch
Soldat, allein die Schule scheint viel zu seiner Besserung beizutragen.
Ein Zeugniss seines Kapitäns spricht sein vollkommen gutes Betragen
aus; ein Brief an mich von seinem sergeant-major (der nach einer glück
lichen Fügung ein halber Landsmann und nach allem, wie es scheint,
ein sehr achtungswerther Mann ist) bestätigt nicht nur jenes Zeugniss,