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Gauss an Olbers. Göttingen, 1834 August 31.
No. 680. Gauss an Olbers. 1 ) [320
Göttinnen, 1834 August 31.
Wenngleich man denen, die ihren Lauf auf dieser dornenvollen
Erde vollendet haben, nur ein „Wohl ihnen“ nachzurufen hat, so werden
Sie doch nicht ohne eine wehmüthige Empfindung erfahren, dass unser
vieljähriger Freund Harding uns heute Mittag vorangegangen ist. Er
kam vor 12 Tagen von seiner Badereise nach Karlsbad etwas unwohl
zurück, doch schien es noch vor wenigen Tagen nicht viel zu bedeuten
haben. Allein seit vorgestern verschlimmerte sich sein Zustand so
schleunig, dass man schon heute früh seinem nahen Ende mit Gewiss
heit entgegensah.
Von Ihrem Befinden entbehre ich seit langer Zeit aller direkten
Nachrichten. Ich meines Theils habe mich den ganzen Sommer, ohne
eigentlich krank zu sein, unwohl befunden, wozu ausser der ungeheuren
Hitze auch die vielfache Sorge, die mir mein jüngster Sohn macht,
mitgewirkt haben mag. Vielleicht erinnern Sie sich, dass er sich der
Oekonomie gewidmet hat. Seit 5 Jahren auf verschiedenen Gütern Lehr
ling und Kostgänger, waren alle Bemühungen, wozu ich selbst in meinen
in dieser Beziehung konnexionslosen Verhältnissen freilich nicht viel
mitwirken konnte, ihn in eine angemessene Stellung zu bringen, die
zu näherer Vorbereitung zu künftiger Selbständigkeit dienen konnte,
vergeblich gewesen, bis er endlich vorige Ostern eine solche fand.
Leider war aber diese durch Umstände, die ausführlich zu erzählen zu
weitläufig sein würde, und wobei ihm nichts zur Last fällt als Mangel
an Weltklugheit, nur von kurzer Dauer, und er kam dann im Juni zu
mir zurück, seit welcher Zeit die Sorge, was ich mit ihm machen soll,
mich entsetzlich gedrückt hat. Er selbst richtete seinen Sinn auf Aus
wanderung nach Griechenland oder Amerika, wozu ich aber, da er erst
21 Jahre alt ist und bei aller Solidität und Thätigkeitslust doch noch
zu wenig selbständige Weltklugheit bewährt hat, meine Einwilligung
nicht geben kann. Er hat in dieser Zeit, da es an anderen Beschäfti
gungen fehlt, sich viel mit den magnetischen, auch anderen Beobb. be
schäftigt und ein wirklich ausgezeichnetes Beobachtungstalent gezeigt,
so dass ich wohl daran gedacht habe, dass er sich zu einem sehr guten
Beobachter für geodätische Messungen bilden könnte. Allein da doch
dabei nur ein Eintritt ins Militär eine dauernde Stellung im Leben
sichern könnte, so schreckt mich der Umstand ab, dass seine Augen, *)
*) Vergl. zu dem Inhalte dieses Briefes auch Gauss’ Brief No. 457 vom gleichen
Datum im Briefwechsel Gauss-Schumacher. Krm.