Olbers an Gauss. Brejnen, 1884 September 9.
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durchaus nicht. Mit einem fähigen geschickten, aber gehörig subordi-
nirten Gehülfen werden Sie bei dem grossen Vorrath trefflicher Instru
mente eine grosse astronomische Thätigkeit entwickeln können, da es
erforderlichen Falls auch an freiwilligen brauchbaren Assistenten zu
Rechnungen, gewöhnlichen Beobb. u. s. w. unter den Studirenden nicht
fehlen wird.
Bei der beispiellos anhaltenden Hitze dieses Sommers habe ich
recht oft an Sie gedacht, mein theurer Gauss, weil ich weiss, wie sehr
Sie dabei zu leiden pflegen. Auch ich bin sehr davon ermattet worden.
Allein sonst habe ich mich meiner Art nach diesen Sommer ziemlich
erträglich befunden. Nach einem reichlichen Aderlass in diesem Früh
jahr kommen die Anfälle von Schwindel und Beklemmungen nicht so
oft mehr wie sonst, erreichen auch seltener den hohen Grad von Inten
sität, den sie vormals so häufig hatten. Seit einigen Wochen wird es
wieder etwas schlimmer, und ich werde nächstens versuchen müssen,
ob Blutlassen wieder Linderung schaffen kann. Dass Kräfte, innere
und äussere Sinne u. s. w. allmählich immer mehr abnehmen, schreibe
ich dem vorrückenden Alter zu. In einem Monat vollende ich mein
76. Jahr.
Dass Ihnen Ihr lieber Sohn, mein lieber Pathe, einige Sorge ge
macht hat, habe ich ungern vernommen. Aber, mein theurer Freund,
in welchem Fach fällt es jetzt einem jungen Manne nicht schwer, sich
Anfangs Bahn zu brechen? Welches Fach scheint nicht ganz trostlos
überfüllt? Und doch kommt jeder, der das Nöthige gelernt hat, thätig
und ordentlich ist, endlich zum Zweck. Fata viam invenient, denke
ich immer bei meinen Enkeln, wovon einer, der Medicin studirt hat,
künftigen Sommer die Zahl der hier schon weit über das Bedürfniss
vorhandenen, Praxis suchenden Aerzte mit 5 bis 6 gleichzeitig heim
kehrenden Kollegen vermehren wird. Indessen ist es mir sehr lieb,
dass Ihr Hr. Sohn jetzt zu einer passenden Anstellung Hoffnung hat,
wozu ich im voraus alles mögliche Glück wünsche.
Für die so interessanten Nachrichten von Ihrem magnetischen
Observatorium, Ihren kolossalen Magnetnadeln, und Ihren wichtigen
Entdeckungen und Beobb. danke ich auf das Allerherzlichste. Wahrlich,
wenn ich nur 10 Jahre jünger oder überhaupt noch mobil zu machen
wäre, so müsste ich selbst nach Göttingen, um Ihren bewunderns
würdigen Apparat und Sie, mein Allertheuerster, mit demselben operiren
zu sehen.
Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon sonst erzählt 1 ) habe — wir
gedächtnisschwachen Greise wiederholen uns bekanntlich leicht —,
0 Im Briefe vom 18. Juli 1812 aus Paris (No. 262), Bd. II, 1 S. 508—509. Krm.
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