Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Olbers an Gauss. Brejnen, 1884 September 9. 
609 
durchaus nicht. Mit einem fähigen geschickten, aber gehörig subordi- 
nirten Gehülfen werden Sie bei dem grossen Vorrath trefflicher Instru 
mente eine grosse astronomische Thätigkeit entwickeln können, da es 
erforderlichen Falls auch an freiwilligen brauchbaren Assistenten zu 
Rechnungen, gewöhnlichen Beobb. u. s. w. unter den Studirenden nicht 
fehlen wird. 
Bei der beispiellos anhaltenden Hitze dieses Sommers habe ich 
recht oft an Sie gedacht, mein theurer Gauss, weil ich weiss, wie sehr 
Sie dabei zu leiden pflegen. Auch ich bin sehr davon ermattet worden. 
Allein sonst habe ich mich meiner Art nach diesen Sommer ziemlich 
erträglich befunden. Nach einem reichlichen Aderlass in diesem Früh 
jahr kommen die Anfälle von Schwindel und Beklemmungen nicht so 
oft mehr wie sonst, erreichen auch seltener den hohen Grad von Inten 
sität, den sie vormals so häufig hatten. Seit einigen Wochen wird es 
wieder etwas schlimmer, und ich werde nächstens versuchen müssen, 
ob Blutlassen wieder Linderung schaffen kann. Dass Kräfte, innere 
und äussere Sinne u. s. w. allmählich immer mehr abnehmen, schreibe 
ich dem vorrückenden Alter zu. In einem Monat vollende ich mein 
76. Jahr. 
Dass Ihnen Ihr lieber Sohn, mein lieber Pathe, einige Sorge ge 
macht hat, habe ich ungern vernommen. Aber, mein theurer Freund, 
in welchem Fach fällt es jetzt einem jungen Manne nicht schwer, sich 
Anfangs Bahn zu brechen? Welches Fach scheint nicht ganz trostlos 
überfüllt? Und doch kommt jeder, der das Nöthige gelernt hat, thätig 
und ordentlich ist, endlich zum Zweck. Fata viam invenient, denke 
ich immer bei meinen Enkeln, wovon einer, der Medicin studirt hat, 
künftigen Sommer die Zahl der hier schon weit über das Bedürfniss 
vorhandenen, Praxis suchenden Aerzte mit 5 bis 6 gleichzeitig heim 
kehrenden Kollegen vermehren wird. Indessen ist es mir sehr lieb, 
dass Ihr Hr. Sohn jetzt zu einer passenden Anstellung Hoffnung hat, 
wozu ich im voraus alles mögliche Glück wünsche. 
Für die so interessanten Nachrichten von Ihrem magnetischen 
Observatorium, Ihren kolossalen Magnetnadeln, und Ihren wichtigen 
Entdeckungen und Beobb. danke ich auf das Allerherzlichste. Wahrlich, 
wenn ich nur 10 Jahre jünger oder überhaupt noch mobil zu machen 
wäre, so müsste ich selbst nach Göttingen, um Ihren bewunderns 
würdigen Apparat und Sie, mein Allertheuerster, mit demselben operiren 
zu sehen. 
Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon sonst erzählt 1 ) habe — wir 
gedächtnisschwachen Greise wiederholen uns bekanntlich leicht —, 
0 Im Briefe vom 18. Juli 1812 aus Paris (No. 262), Bd. II, 1 S. 508—509. Krm. 
Olbers. II, 2. 39
	        
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