622
Olbers an Gauss. Bremen, 1835 April 20.
müssen wir, um lichtschwache Kometen lange vor und nach ihrer Sonnen
nähe sehen und uns die Wunder der Nebelflecke völlig aufschliessen zu
können, nothwendig eine mit den grössten optischen Hülfsmitteln aus
gerüstete Sternwarte in den Tropengegenden von Amerika, 18 bis
16000 Fuss über den niederen Schichten der Atmosphäre erhaben, benutzen
können, wo der Himmel völlig schwarz erscheinen und auch der schwächste
Nebel sichtbar sein wird. Was werden unsere Nachkommen auf einer
solchen Sternwarte noch alles am Himmel entdecken? Und wir erhalten
gewiss eine solche Sternwarte, wenn die Astronomen nur unaufhörlich
an ihre Notliwendigkeit erinnern. — Nun werden wir uns noch 4 Monate
bis zur letzten Hälfte des Aug. gedulden müssen, ehe der HALLEY’sche
Komet aufgefunden wird, und die Ungewissheit, die über die Zeit seines
Perihels herrscht, gehoben werden kann. Eine Ungewissheit, die ge-
wissermaassen noch immer grösser wird, da Pontecoulant nun nach
abermaliger Revision seiner Rechnungen und Einführung einer richtigeren
Jupiter-Masse den Tag der Sonnennähe auf Nov. 12,6 bestimmt hat.
Dies kommt nur scheinbar mit Rosenberger’s Angabe nahe überein.
Denn Pontecoulant hat den Einfluss des Merkur, der Venus und des
Mars gänzlich vernachlässigt, die doch nach Rosenberger’s Bestim
mung die Zeit des Perihels um 6 Tage verfrühen werden.
Dass Hrn. v. Steinheil der Preis wegen seines Photometers zu
erkannt worden ist, weiss ich bloss aus öffentlichen politischen Blättern.
Da ich die Gott. Gel. Am. in einem Lesecirkel erhalte, so kommen die
einzelnen Abtheilungen oft erst sehr spät an mich, und ich bin noch
im December. Höchst begierig, etwas Näheres über dies Photometer zu
wissen, habe ich mir doch mühsam den Januar und Februar dieser
Ameigen verschafft, aber noch kein Wort’über die Preisvertheilung
darin gefunden. Sollte Ihre Relation über die eingekommenen Photo
meter schon gedruckt sein, so würden Sie mich sehr verpflichten, wenn
Sie mir das Stück der G. G. A., worin sie enthalten ist, schicken wollten.
Wird aber fürs erste noch nichts darüber gedruckt, so möchte ich die
Bitte wagen, mir baldmöglichst eine kurze Beschreibung des Steinheil’-
schen [Photometers] und Nachricht, was es dem Erfinder geleistet hat,
und überhaupt künftig leisten kann, zu geben. Ein ganz zweckmässiges
Photometer halte ich für ein wahres Bedürfniss unserer jetzigen Stern
kunde.
Dieser Tage las ich in dem 47. Bande des Quarterly Review, in
einer Recension von „Mrs. Somerville’s Meclianism of the lieavensf 1
eine mir sehr auffallende Behauptung des Recensenten. Er raisonnirt
so: Lagrange und La Place hätten bewiesen, dass, die Einwirkung
der Planeten aufeinander möchte sein, wie sie wolle, doch die Summe
der Quadrate aller ihrer Excentricitäten, jede mit einem unveränder-