Gauss an Olbers. Göttingen, 1837 Juni 20.
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Plätze auf einem im Sept. nach New Orleans von Bremen zu expedirendeu
Schiffe durch einen dortigen Makler Westhof belegt, und er könnte
unter keinen günstigeren Auspicien reisen, als wenn es sich träfe, dass
es der Olbers 1 ) wäre, der ihn in sein neues Vaterland führte. Er meint,
dass es sehr vortheilhaft wäre, wenn er es so einrichten könnte, dass er,
ohne sich in New Orleans aufzuhalten, sogleich nach der Ankunft mit
einem Dampfschiffe den Mississippi hinauf nach St. Louis weiter reisen
könnte. Ob die Geldangelegenheiten sich so arrangiren lassen, dass
dies thunlich ist, verstehe ich selbst nicht zu beurtheilen.
Mein ältester Sohn ist gleich nach seiner Rückkehr als Adjutant
bei dem Stader Artillerie-Bataillon eingetreten. Seine äussere Lage
ist dadurch nicht unbedeutend verbessert, so dass er, unverheiratet, sein
sehr gutes Auskommen hat, wenngleich lange nicht zureichend, einen
eigenen Herd zu bauen. Ich wünschte sehr, dass er Gelegenheit fände,
seine schönen erworbenen Kenntnisse in Beziehung auf die Eisenbahnen
bei uns nutzbar zu machen; ich weiss aber nicht, wie viel Willfährig
keit für Eisenbahnen man von der Hannoverschen Stände-Versammlung
zu erwarten hat.
In den letzten 3 / 4 Jahren haben mich unsere Maassangelegenheiten
einen grossen Aufwand von Zeit und Arbeit — Sie stellen sich schwer
lich vor, wie grossen — gekostet. Ich habe den Auftrag, die Dar
stellung aller Normalmaasse und Gewichte zu leiten. Aber dieses Leiten
implicirt eine unendliche Menge von Messungen und Wägungen. Cirka
3 Wochen habe ich allein dazu verwenden müssen, die Eintheilung * 2 )
eines Maasstabes, den ich habe anfertigen lassen, zu prüfen und die
Fehler derjenigen Theilstriclie, die ich nöthig habe (etwa 70), zu tabu-
liren. Mein Komparator ist sehr einfach, aber er leistet ebenso viel,
wo nicht mehr, als der künstliche, den Baily angewandt hat. Er hat
ein gusseisernes Gestell, welches über 50 U wiegt, Sehr beschwerlich
war es, dass ich damals im Dec. und Jan. genöthigt war, alle Ope
rationen in einem ungeheizten Zimmer zu machen, da im geheizten
wegen der fortwährend unter meinen Händen vorgehenden Temperatur-
Aenderungen nichts Scharfes zu machen war. Die Hohlmaasse (8 an
der Zahl) sind fertig und sehr schön gerathen. Ebenso viel Aufwand
kosten die Wägungen, wobei noch sehr viel zu thun übrig bleibt,
namentlich die Darstellung der Gewichte von 1—100$, wozuWaagen
von ganz neuer Konstruktion erst vollendet und studirt sein wollen.
x ) Zu Olbers’ Ehren benanntes Bremer Auswanderer-Schiff. Siehe Brief No. 632
S. 516 so wie den folgenden Brief. Krm.
2 ) Vergl. hierzu Gauss’ Werke Bd. V Nachlass, S. 632—635, nach der Bemer
kung auf S. 639 daselbst nach einer Aufzeichnung Weber’s aus dem Jahre 1839 oder
1840 (?) mitgetheilt. Krm.