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Das Llutproblem.
eigentlich erschöpfend nur unter Zuhilfenahme mathematischer
Rechnungen klargelegt werden kann, möge an dieser Stelle ein
gefügt werden; Leser, welche sich tiefer mit dem Gegenstand
befassen wollen, müssen auf das Hauptwerk Hörbigers ver
wiesen werden.
Der Wassermantel der Erde unterliegt der Einwirkung zweier
von außen wirkender Anziehungskräfte, der der Sonne und des
Mondes. Die Mondanziehung ist bei der jetzigen Mondentfernung
ungefähr 2 1 / 2 mal stärker als die der Sonne. Auf Tafel VI ist in
Figur I in einer der Wirklichkeit freilich nicht entsprechenden
Darstellung die Wirkung beider Kräfte gezeigt, wobei sowohl
die Mond- als auch die Sonnenfluten im Verhältnisse zum
Erddurchmesser übertrieben hoch gezeichnet sind, um sie in ent
sprechender Deutlichkeit hervortreten zu lassen. Es ergibt sich aus
den vier Hauptstellungen von Mond und Sonne zur Erde,
daß sich die Flutberge zweimal Übereinanderlagern und zweimal
gesondert auftreten; in den letzteren Fällen werden wir geringere, in
den ersteren höhere Fluten zu erwarten haben; die höchste Flut
inuß sich aber entwickeln, wenn sich die Zenitfluäberge von Sonne
und Mond addieren, und dieser Fall tritt ein, wenn der Mond
zwischen Erde und Sonne tritt.
Daß der Zenitflutberg unter der Anziehungskraft eines der
beiden Himmelskörper zustande kommt, kann man sich leicht
vorstellen, weniger leicht ist die Entstehung des Nadirflutbergs
zu erklären; Figur II der Tafel VI wird helfend eingreifen.
Denken wir uns die Erde ohne eigene Drehung um die Sonne
laufend, so werden die bei Z liegenden Teile die Anziehung
stärker empfinden, als die bei X, was aus dem sinkenden Ver
lauf der Schwerkraftlinie klar hervorgeht. Dagegen werden
die Teile bei N die Fliehkraft stärker fühlen als die bei Z,
und die Folge muß sein, daß die ersteren das Bestreben haben,
sich von der Erde zu entfernen. Abgeschleudert können die
wassermengen allerdings nicht werden, weil die Schwerkraft
der Erde dies verhindert; sie werden sich aber um einen ge
wissen, wenn auch geringen Betrag vom Erdmittelpunkt ent
fernen, indem sie sich heben, und diese Erhebung ist der
Nadirflutberg. Zn ähnlicher weise entwickelt sich die vom
Monde hervorgerufene Nadirflut. Um diese jedoch nach der