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wie jeder andere Essig. Es versteht sich übrigens von selbst,
daß die Localitäten, in welchen die Bereitung der Essigwürze
und ihre Gährung geschieht, abgesondert sein müssen von denen,
in welchen die Essigbildung vorgenommen wird.
Was ich in Vorstehendem gesagt babe, ist nicht bloße theo
retische Speculation; es gründet sich auf Versuche und ist also
unmittelbar aus practischer Anschauung und Erfahrung hervor
gegangen. Bisher haben bloß die Bierbrauer den größern
und die Getreide-Branntweinbrenner den geringern Theil des
zur Weißbrotbäckerei erforderlichen Hefenbedarfs geliefert. Auch
die Essigfabrikanten, welche sich mit der Erzeugung von Frucht
essig befassen, sind berufen, an der Hefenerzeugung Antheil zu
nehmen. Es gehört dazu bloß ein verbessertes rationelles Ver
fahren, und es ist dann einerlei, ob man die Essigwürze kocht
oder nicht kocht. Brauchbare Hefe wird in beiden Fällen ge
liefert, nur ihre Quantität — von dem Vergährungsgrade ab
hängig — ist verschieden. Für den Essigfabrikanten ergibt sich
dadurch ein wesentlicher Vortheil in seinem Gewerbsbetriebe,
indem er von der bei der Gährung seiner Essigwürze erzeugten
neuen Hefe bisher keine Notiz nahm. Ihre Gewinnung und
ihr Verkauf müssen ihm eine namhafte Mehreinnahme sichern.
Der dabei stattfindende Vortheil kann selbst so groß sein, daß
Bäcker sich auf diese Weise ihren Hefenbedarf mit Aufwand ei
nes geringen Anlagecapitals selbst erzeugen könnten, und man
würde dann künftig in den Bäckerläden nicht nur sein nöthiges
Schwarz- und Weißbrot, sondern auch den für die Haushal
tungen erforderlichen Essig holen. Ob man auf diese Weise
dahin gelangen könnte, den Essig so wohlfeil darzustellen, daß
er anwendbar würde zur Erzeugung von chemischen Producten
(z. B. Bleizucker), muß der genauen Calculation der betreffen
den Fabrikanten überlassen bleiben. 100 gf Gerstendarrmalz
oder ein Äquivalent von rohem Getreide oder Kartoffelstärk
mehl liefern 507 U Würze von 10 pCt. Extractgehalt und
diese circa 4% Eimer Essig von 4 pCt. Essigsäuregehalt. 8
bis 10 Eimer dieses Essigs würden zur Erzeugung von 1 Ctr.
kristallisirten Bleizucker hinreichen. Die Essigbildung müßte
dabei nothwendig nach der englischen Schnellessigbereitungsme
thode vorgenommen werden (Knapp in den „Annalen der
Chemie und Pharmacie" von Wöhler und Liebig, Bd. 42.,
S. 113, 1842) und erst nach Vollendung der Essigbildung