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welche von den ausser dem Alkohol in den Weinen noch ent
haltenen Nebenbestandtheilen bedingt werden. So macht unzer-
setzter Zucker die Weine süss und die Entstehung des Aroma
(Bouquet) beim Ablagern macht dieselben aromatisch.
Was die wahre Ursache des eigenen angenehmen aromati
schen Geruches mehrerer Weine sei, ist bis jetzt noch nicht aus
gemacht; denn die sie bedingende Substanz scheint in so gerin
ger Menge in dem Weine enthalten zu sein, dass es bisher
unmöglich war, sie aus dem Weine isolirt darzustellen und zu
untersuchen. Die Speculation der Weinhändler ist hier der
chemischen Analyse vorausgeeilt, insofern man durch Synthese
gestrebt hat, Weinen durch Zusätze jenes Bouquet künstlich zu
ertheilen. Essigäther und Salpeteräther hat man angewendet,
um durch Zusatz derselben jungen Weinen das Bouquet alter,
abgelagerter Weine zu geben. Inwiefern dies erreicht worden,
muss dem Urtheile der Weinkenner überlassen bleiben. Es ist
sogar wahrscheinlich, dass dieses Bouquet einer eigenen Aether-
art zuzuschreiben sei, die sich beim Lagern der Weine bildet;
denn die Bedingungen dazu — Gegenwart von freier Pflanzen
säure und Alkohol — sind vorhanden, und die Länge der Zeit
mag bei dem bei niedriger Temperatur vorgehenden chemischen
Processe dasjenige ersetzen, was die Kunst in kürzerer Zeit bei
höherer Temperatur bewirkt.
Von diesem Aroma einiger Weine ist zu unterscheiden der
Geruch, der allen Weinen eigen und gemeinschaftlich ist, und
den man den Weingeruch nennen kann — derjenige Geruch,
welcher, wenn man in eine geleerte Weinflasche riecht, sogleich
erkennen lässt, dass sich Wein in der Flasche befunden hat. Die
Ursache dieses Weingeruches hat man neuerer Zeit kennen ge
lernt. Sie besteht in einer eigenen Aetherart, die sich bei der
Gährung und beim Lagern der Weine bildet, und verglichen
werden kann mit dem Fuselöl, welches bei der Gährung der
Branntweinmaischen entsteht. Man nennt diese Aetherart:
Oenanthsäureäther oder önanthsaures Aethyloxyd. Die
Benennung ist abgeleitet von seinem eigentümlichen Wein
geruch.
Es ist unbekannt, ob die Oenanthsäure schon im freien Zu
stande in dem Traubensafte vorkommt und erst während der
Gährung, wodurch Alkohol erzeugt wird, mit diesem Aether