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letztere davon zum Theil abgezogen wird, so tritt atmosphärische
Luft von Aussen an deren Stelle und kommt mit den benetzten
Spänen demnach mit dem Essiggute mittelst einer sehr grossen
Oberfläche in Berührung. Die Oxydation desselben beginnt anfangs
langsam, nach mehrmaligem Umstechen des Essiggutes ist sie aber
im vollen Gange; eine beträchtliche Selbsterwärmung in den Gra-
dirfässern tritt ein; hebt man den Deckel ab, so steigt Dampf
aus dem Gradirfasse auf, dessen Geruch ein stechend saurer ist.
Diese Selbsterwärmung muss genau beobachtet werden; denn
lässt man sie zu weit fortschreiten, so schlägt die Essigbildung
um, wenn bereits aller den Weinkämmen anhängende Alkohol
umgewandelt ist; es tritt sehr bald faulige Gährung ein, welche
auch die Kämme ergreift; der saure Geruch verschwindet, der
Essig ist verdorben, der ganze Inhalt des Gradirfasses verloren
und dasselbe muss neu hergerichtet werden. In dem Maasse,
als die Essigbildung fortschreitet, findet diese Erwärmung in
immer kürzeren Zeitabschnitten Statt, und muss demnach das
Umfüllen der Flüssigkeit darnach gerichtet werden, theils um
dem Umschlagen des Processes zuvorkommen, theils um den
selben nicht unnöthigerweise zu verzögern. Der praktische
Essigfabrikant richtet sich hierbei blos nach den äusseren
Merkmalen, besonders nach dem Grade des Dämpfens der
Gradirfässer und nach der Art ihres sauren Geruches. — Ein
drittes, zuverlässigeres Beobachtungsmitte] hierbei wäre die
stetige Ermittelung der Zunahme der Temperatur mittelst eines
dazu geeigneten, in jedem Gradirfasse angebrachten Thermo
meters, und müsste, wenn die beobachtete Temperatur jedesmal
eine gewisse, durch Erfahrung für jede Grösse der Gradirfässer
zu ermittelnde Gränze, z. B. 30 R., erreicht hat, das Umfüllen
des Essiggutes vorgenommen werden. Eine zu hohe Tempera
tur würde auch einen zu grossen Verlust an Alkohol und Essig
säure durch Verdampfung herbeiführen. Hierbei wird bei jedes
maligem Umfüllen des Essiggutes in den Gradirfässern nur so
viel Essigsäure gebildet, als der zwischen die Kämme eindrin
genden atmosphärischen Luft entspricht, welches Zutreten der
Luft jedoch durch die jedesmal stattfiudende Absorption ihres
Sauerstoffgases und dadurch noch befördert wird, dass das aus
geschiedene specifisch leichtere Stickgas aus dem Gradirfasse
durch die von Aussen eindringende schwerere atmosphärische