Weise Distanzunterschiede erkannt wurden, so blieb noch ein grosser
Schritt bis zur wirklichen Distanzbestimmung zu machen übrig, ja
man begnügte sich längere Zeit, durch philosophische Tüfteleien
oder durch Spekulation dasjenige zu ersetzen, was man durch
Messung nicht zu erhalten wusste®, und es gelang erst Aristarch
(437) und Hipparch (438), solchen Willkürlichkeiten geometrische
Methoden zu substituieren, welche sich auf den Begriff der sog.
Parallaxe (231) stützten und wenigstens für Mond und Sonne an
wendbar waren d .
Xu 230: a. So beobachtete z. B. Aristoteles (vgl. De coelo II 12, wo
zugleich gesagt wird, dass die Egypter und Babylonier schon früher ent
sprechende Wahrnehmungen gemacht haben) eine Bedeckung des Mars durch
den Mond und die Bedeckung eines Sternes in den Zwillingen durch Jupiter,
— so wurden vielfach Bedeckungen von Sternen durch den Mond wahr
genommen, — ja bald auch in den Sonnenfinsternissen eine teilweise oder
gänzliche Bedeckung der Sonne durch den Mond erkannt. — b. Schon Ari
stoteles wusste, „dass ein Diskus, bei unveränderter Entfernung vom Auge,
den Mond bald bedeckt und bald nicht“. — c. Es kann wohl nur auf solcher
Spekulation beruhen, wenn nach Plinius Erzählung die Egypter dem Grade
der Mondbahn eine Länge von 33 Stadien, demjenigen der Sonnenbahn aber
1 V 2 fache und dem der Saturnbahn 2facke Länge geben wollten, — oder wenn
Pythagoras und seine Schule den Mond in eine Distanz von 126000 Stadien
von der Erde setzten und von ihm bis zur Sonne eine doppelte, von dieser
aber bis zum Fixsternhimmel eine dreifache Distanz annahmen, — oder Aveim
Plato in seinem Timseus den 7 Wandelsternen (£, Q> ?> cT, 4-, der
Reihe nach die Distanzen 1, 2, 3, 4, 8, 9, 27 beilegte, — etc., und auch die
bereits (211) erwähnte, allerdings ziemlich plausible Annahme, dass die 7
Wandelsterne sich nach ihren Umlaufszeiten ordnen, gehört eigentlich in diese
Kategorie. Vgl. übrigens für letztere die folgende Note. — d. Ptolemäus
musste noch in seiner Syntaxis eingestehen, es gebe „kein Mittel, zu betveisen,
Avelches die wahre Stellung der Planeten sei, da keiner derselben eine merk
liche Parallaxe zeige, die das einzige Mittel zur Bestimmung der Distanz
geben Aviirde“, und dass er Merkur und Venus nur darum zwischen Mond und
Sonne gesetzt habe, weil er die Planeten mit beschränkter Elongation von
den übrigen abscheiden Avollte.
231. Begriff* und Einfluss der Parallaxe. — Unter
Parallaxe versteht man im allgemeinen den Winkelunterschied, wel
cher sich ergiebt, wenn man ein Objekt von zwei verschiedenen
Standpunkten aus betrachtet, oder auch den mit ihm gleichen Winkel,
unter welchem vom Objekte aus die Distanz der beiden Standpunkte
gesehen wird, und es ist somit die Parallaxe angenähert der Länge
der Basis direkt, dem Abstande des Objektes umgekehrt propor
tional“. — Wählt man als Basis den Halbmesser der Erde, d. h.
giebt man dem wirklichen Beobachter einen fingierten Beobachter
am Erdmittelpunkte bei, so nennt man die Parallaxe tägliche, —
ist dagegen die Basis gleich der Distanz Erde-Sonne, so nennt man