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— î)ie Èrde und ihr Mond. —
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bei Cicero und Plinius Stellen finden, aus welchen deutlich hervorgeht, dass
auch der Einfluss der Sonne bereits ziemlich allgemein bekannt war. Aber
eigentliche Rechenschaft über die Ursachen dieser Vorgänge konnte sich jene
ältere Zeit noch nicht geben, und es gehört zu den vielen Verdiensten von
Stevin und Kepler, sich die Sache etwas näher angesehen und (vgl. des erstem
„Oeuvres par Girard II 177“, und die Einleitung des letztem zu seiner „Astro-
nomia nova“) angedeutet zu haben, dass in der Ebbe und Flut mutmasslich
eine Attraktionserscheinung, ja ein Beweis dafür vorliege, dass sich die An
ziehungssphäre des Mondes bis zur Erde erstrecke. Nachdem sonderbarer
Weise Galilei die Ideen Keplers mit einer gewissen Ostentation verworfen und
(vgl. Ed. 1632 der Dialogen, p. 409) die sog. Gezeiten mit der Axendrehung
der Erde in Verbindung gebracht hatte, gewann die Anziehungstheorie bald
wieder die Oberhand und feierte ihren entschiedenen Sieg, als es Newton in
seinen „Principien“ gelang, auf Grund derselben wenigstens die allgemeinen
Gesetze dieser Erscheinung zu begründen. In weiterer Ausführung von Newtons
Theorie konnten sodann 1740 Dan. Bernoulli, Leonh. Euler und Colin Maclaurin
in ihren gekrönten Preisschriften (Mém. Par. 1740, wo noch eine 4. Preisschrift
von Ant. Cavalieri abgedruckt ist, welche wohl nur gekrönt wurde, um auch
die Cartesianer zu befriedigen, — und Bd. 3 der Genfer-Ausg. von Newtons
Principien) neue Fortschritte erzielen, und die von dem erstgenannten damals
zur Berechnung der sog. Hafenzeit, d. h. der (für Brest 3 h 47"', für St. Malo
6 h 5 m , für Havre 9 h 51 m , etc., betragenden) Zeit, welche von der Culmination
des Mondes bis zum nächsten Hochwasser verfliesst, gegebene Hilfstafel wird
noch gegenwärtig vielfach benutzt. Immerbin blieb noch mancher Punkt im
Unklaren und es gelang erst Laplace in seiner „Mécanique céleste“, unter
Anwendung der Hydrodynamik und der aus langjährigen Beobachtungen in
Brest abgeleiteten Erfahrungsresultate, die theoretische Untersuchung zu einem
gewissen Abschlüsse zu bringen und sogar den Detail soweit zu bewältigen,
um z. B. Linien gleicher Flutzeit, sog. Isorachien, zu ermitteln. Dass jedoch
auch Laplace seinen Nachfolgern noch Arbeit iiberliess, ist wohl selbstverständ
lich, und so haben z. B. Lubbock und Whewell (vgl. die Pb. Tr. 1830—50, und
des erstem Schrift „An elementary treatise on the tides. London 1839 in 8.“)
eine Reihe betreifender Untersuchungen ausgeführt.
243. Einige andere Wirkungen des Mondes. — Dass
der Mond auch auf unsere Erdatmosphäre eine ähnliche Wirkung
wie auf die Meere ausiibt, ist theoretisch nicht zu bezweifeln, aber
bei dem schwachen Einflüsse auf den Barometerstand und dem
Fehlen anderer Beobachtungsmittel höchstens unter niedrigen Brei
ten, wo sich die übrigen Variationen vermindern, wirklich zu kon
statieren n . — Dass derselbe ferner, wenn das Erdinnere (221) wirk
lich noch feuerflüssig ist, auch auf dieses eine entsprechende Wirkung
ausiiben muss und dadurch Spannungen hervorrufen kann, die sich
zeitweise in Erdbeben und Vulkanausbrüchen zeigen, muss man
ebenfalls zugeben; jedoch sind wohl bei diesen letztem auch noch
ganz andere und zum Teil sogar mächtigere Faktoren thätig, die
mit Veränderungen auf der Erde selbst Zusammenhängen und den
Einfluss der Gestirne in einer Weise modifizieren, dass jede auf