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— Die sog. Kalendariographie. —
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gegenseitige Lage der Wochen- und Monatstage, das Eintreffen der
beweglichen Feste, etc., allfällig auch noch über den Stand von
Sonne und Mond, die Zeit ihres Auf- und Unterganges, die zu er
wartenden Finsternisse, etc., zu belehren a . Unzweifelhaft existierten
schon im Altertume, und sodann auch ziemlich frühe im Abend
lande, einzelne Hilfsmittel dieser Art b ; aber den Urtypus für unsere
gegenwärtigen Kalender scheinen doch erst Johannes V. Gmunden c
und ganz besonders der grosse Regiomontan d festgestellt zu haben.
Nach Erfindung der Buchdruckerkunst verbreiteten sich namentlich
die Jahreskalender bald allgemein, erhielten zu Stadt und Land den
Ehrenplatz neben der Bibel und wurden schliesslich zu einem ganz
bedeutenden Handelsartikel, dessen Absatz der „Kalcndersteller“
durch Beigabe von astrologischem Kram und piquanten Erzählungen
noch zu erhöhen suchte. Je mehr sich aber der Kalender in letzterer
Weise ausdehnte, desto ausschliesslicher zogen sich die wissenschaft
lichen Angaben aus demselben in die, ebenfalls nach dem Vorgänge
von Regiomontan e , neben ihm erscheinenden, für den Fachmann
bestimmten astronomischen Jahrbücher oder Ephemeriden zurück,
auf welche wir jedoch erst später (516) näher eintreten werden f.
Zu $19: a. Früher schrieb man in den sog. immerwährenden Kalendern
jedem Monatstage die goldene Zahl hei, welche dem Jahre zugehörte, das auf
ihn einen Neumond brachte, so z. B. (vgl. Tab. in 314: d) I 23 (und dann
wieder I 23 + 29 = II 21, II 21 + 30 = III 23, III 23 -f 29 = IV 21, etc.)
die Zahl 1, I 12 (und dann wieder I 12 + 29 = II 10, etc.) die Zahl 2, etc.,
und fügte wohl auch in einer zweiten Kolumne noch entsprechende Zahlen für
den Vollmond bei. — b. Abgesehen von Spuren, welche sich bei den alten
Egyptern und Chinesen finden sollen, ist zu erwähnen, dass die Berliner
Bibliothek ein Kalender-Manuskript aus dem Jahre 1200, die Pariser Bibliothek
ein ebensolches aus dem Jahre 1284 besitzt; ferner wird berichtet, dass Roger
Baco auf 1292 einen Kalender gestellt, Paolo Dagomari auf 1326 unter dem
Titel „Taccuino“ einen ersten italienischen Kalender verfasst habe, etc. —
c. Johannes Nyder vulgo joannes da Gamundia (Gmunden am Traunsee oder
Schwäbisch-Gmünd 1380? — Wien 1442; Prof. astr. Wien, der durch Vergabung
den Grund zur Wiener Bibliothek legte; vgl. Stern in Ersch und Gruber und
Joh. Müller im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1878) verfertigte
ein mutmasslich mit 1416 beginnendes, sich über 4 Mondzirkel erstreckendes
„Caleiularium“, welches sodann (vgl. Mon. Corr. 18) mit noch vorhandenen
Holztafeln vervielfältigt wurde; auch bot vor einigen Jahren Antiquar Rosen
thal in München unter dem Titel „Johannes de Gmundiis, Calendarius bonus et
utilis pronuntiatus in Studio Wienniensi. Cum explicatione signorum coelestium,
etc. Eclipses Solis et Lunae quae 1433—62 erunt, cum fig. pictis“ ein aus 18
Folioblättern bestehendes, angeblich 1432 verfasstes Manuskript zum Verkaufe
aus. Wie sich zu diesen Werken ein nach Müller in der Öttingen-Wallen-
stein’schen Fideikommiss-Bibliothek befindlicher, 1404 zu Ulm von „Johannes
wissbier da gamundia“ geschriebener „Computus“ verhält, bleibt noch festzu
stellen, — und ebenso ihre allfällige Beziehung zu einem um die Mitte des