Full text: Einleitung in die Astronomie (2. Halbbd.)

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— Die Lehre von der Kugelgestalt. — 
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keit des scheinbaren Horizontes von der Situation des Beobachters, 
und auf das Steigen der mitternächtlichen Sterne beim Wandern 
nach Norden aufmerksam geworden waren. Wohl ohne etwas hievon 
zu wissen, kam sodann Pythagoras hei seinen Betrachtungen über 
das Weltsystem (vgl. 253) durch eine Reihe von Schlüssen anderer 
Art auf dieselbe Lehre, und dem etwas spätem Parmenides a wird 
sogar nachgerühmt, dass er aus „mathematischen“, also wohl aus 
ähnlichen Gründen, wie die oben den Chaldäern zugeschriebenen, 
derselben beigestimmt habe. Sicher ist, dass zur Zeit von Aristoteles 
die Kugelgestalt der Erde bereits so ziemlich allgemein angenommen 
war, ja dass sie weder im spätem Altertume, noch bei den Arabern 
oder im Abendlande, je wieder ernstlich bezweifelt wurde 6 , und 
dass die von einigen Kirchenvätern oder Scholastikern erhobenen 
Bedenken sich weniger auf diese Gestalt, als auf die damit ver 
bundene Lehre der Existenz von sog. Antipoden (vgl. 217) bezogen, 
welche nicht etwa nur „lächerlich“, sondern mit der Kirchenlehre 
von der Einheit des Menschengeschlechtes im Widerspruche zu 
stehen schien, da damals die Meinung herrschte, es sei die sog. 
heisse Zone (vgl. 217) nicht nur „unbewohnbar“, sondern sogar 
„unüberschreitbar“: Letztere Meinung fiel erst definitiv dahin, als 
Apono nachwies, dass Marco Polo Sterne gesehen habe, welche er 
ohne Überschreiten der Linie nicht hätte wahrnehmen können °, 
und sodann bald darauf die Indienfahrer und Weltumsegler dieselbe 
faktisch widerlegten (l . 
Zu 216: a. Von Parmenides weiss man nur, dass er aus Elea in Gross- 
Griechenland gebürtig war, dort lehrte und 4G0 v. dir. nach Athen kam. — 
b. Schon Aristoteles stellte die Gründe für diese Annahme in seiner Schrift 
„De coelo (Lugd. 1559 in 8., und viele spätere Ausg.)“ in ähnlicher Weise 
zusammen, wie es jetzt noch in populären Schriften gebräuchlich ist, indem 
er nicht nur (wie schon Pythagoras in 253) die Mondfinsternisse herbeizog, 
sondern (in Erweiterung des schon oben beigebrachten) wörtlich sagte: „Auch 
folgt aus der Erscheinung der Sterne über dem Horizonte, dass diese Gestalt 
kugelförmig ist, und zugleich, dass diese Kugel nicht eben sehr gross sein 
kann; denn wenn man auch nur ein wenig gen Süd oder gen Nord fortgeht, 
so ändert sich der Kreis des Horizontes sogleich auffallend, so dass die in 
unserm Scheitel stehenden Sterne sich sofort von demselben entfernen. Ebenso 
werden mehrere (südliche) Sterne in Egypten und Cypern noch gesehen, die 
man in den nördlicher liegenden Ländern nicht mehr sieht, und wieder andere 
Sterne, die gegen Norden liegen, bleiben in den nördlichen Gegenden der Erde 
während ihres ganzen täglichen Laufes über dem Horizonte, während sie in 
den südlichen Gegenden gleich allen andern auf- und untergeben“. Hiezu fügte 
später Plinius in seiner „Historia naturalis“ noch bei, dass alle Dinge einen 
Hang haben, nach dem Mittelpunkte der Erde zu fallen, also die Erde selbst 
keinen Hang zum Fallen haben könne, — dass die Unebenheiten der Obei’- 
fläche der Erde so gering seien, dass sie keinen wesentlichen Einfluss auf ihre
	        
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