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— Der erste Meridian. —
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hielten, so fand der Vorschlag des Geographen Delisle vielfach An
klang, zu geographischen Zwecken jenem Meridiane von Ferro einen
fingierten Meridian in genau 20° westlicher Länge von Paris zu
substituieren, so dass nun auf dem Kontinente der Meridian von
Paris (mit O h oder 20°) dominierte, während in England und seinen
Besitzungen ausschliesslich derjenige von Greenwich gebraucht
wurde d . — Nachdem sich dieser, immerhin leidliche, aber doch
häufig zu Missverständnissen führende Zustand, bis in die Mitte
des gegenwärtigen Jahrhunderts erhalten, begannen neue Anstreng
ungen für vollständige Unifizierung der Längen, und es scheint
gegenwärtig der Meridian von Greenwich die besten Chancen zu
haben, als allgemeiner Ausgangsmeridian angenommen zu werden, —
was dann wohl auch zur Folge hätte, dass die auf ihn bezügliche
Zeit als Universalzeit (vgl. 193) eingeführt würde e .
Xu 21 S: a. Dass Ptolemäus (vgl. Almagest Halma I 148) Lei Abfassung
seiner Syntaxis beabsichtigte, den ursprünglich von Hipparch benutzten Meridian
von Rhodus mit demjenigen von Alexandrien zu vertauschen, war ganz sacli-
gemäss; dass er dagegen später auf den Meridian von Marinus übergeben
mochte, ist kaum zu begreifen, da dieser dem Haupterfordernisse nicht genügte
und bloss den untergeordneten Vorteil darbot, alle Längen in demselben Sinne
zählen zu können, da damals die um ihrer Fruchtbarkeit willen den Namen
„Fortunat* Insul* (später bei den Spaniern: Isias Canarias)“ führende Insel
gruppe das westlichste bekannte Land war. — b. Diejgerfahrenheit, welche in
Beziehung auf den ersten Meridian herrschte, mag durch folgende Zusammen
stellung belegt werden: Die arabischen Astronomen legten den ersten Meridian
durch eine ihrer Beobachtungsstellen, voraus durch Bagdad, — während die
Geographen bald von den Fortunaten, bald von dem äussersten Westrande
Afrikas aus, ihre Längen gegen Osten zählten, wohl auch den sog. „welt
teilenden“ Meridian benutzten, welchen Al-Zercali oder Arzachel (um 1075 in
Toledo beobachtend) genau 10° östlich von Bagdad durch den Punkt Azin
oder Arin gelegt hatte. Die europäischen Astronomen benutzten zuerst den
Meridian von Toledo, auf welchen sich die Alfonsinischen Tafeln bezogen, —
sodann den Meridian von Nürnberg, für welchen Regiomontan seine Ephemeriden
berechnet batte, oder auch mit Coppernicus den Meridian von Krakau, — noch
später vorzugsweise den Meridian der Uranienburg, welchen Kepler seinen
Rudolphinischen Tafeln zu Grunde gelegt batte und den z. B. Rost noch 1720
anwandte; die Verfertiger von Globen und Karten legten dagegen den ersten
Meridian bald durch eine der kanarischen Inseln (wie FeiTo oder Teneriffa),
— bald, wie z. B. Martin Behaim (Nürnberg 1459 — Lissabon 1507; erst Tuch
händler, dann Steuermann und Kosmograph), durch Madeira, — bald durch
eine der Azoren, wie z. B. Robert Hues (Harford 1553? — ? 1032; Pensionär
des Grafen von Northumberland; vgl. seinen „Tractatus de globis. Lugd. 1594
in 8.“) durch San Miguel, — bald, wie der berühmte Mercator, durch eine der
Kap Verde’schen Inseln oder wohl auch durch den von ihm (154) bestimmten
magnetischen Pol, — etc., — ja manche hielten sich sogar an die ziemlich
unbestimmte Demarkationslinie, welche eine päpstliche Bulle von 1493 und
verschiedene spätere Staatsverträge durch einen etwas westlich von den Azoren