Full text: Theorien der Chemie

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und S0 3 Zusammentritt. Danach betätigt Schwefel in diesen drei Fällen zwei, 
vier oder sechs Valenzen. Schwefel kann folglich drei verschiedene Wertig 
keiten besitzen, welche sich um zwei oder vier voneinander unterscheiden. 
Diese Tatsache kann offenbar auf dieselbe Weise wie die zwei- und vier- 
Wertigkeit des Kohlenstoffs auf gefaßt werden, indem man annimmt, das 
Schwefelatom sei wirklich sechs- oder achtwertig, und daß in den Fällen, wo 
sich weniger Valenzen bestätigen, die überzähligen einander paarweise 
binden. Ähnliche Verhältnisse wie beim Schwefel finden wir bei einer großen 
Anzahl von Elementen, wie jedes Lehrbuch der anorganischen Chemie zeigt. 
Man verließ deshalb Kekules Lehre von der konstanten Wertigkeit 
der Elementaratome und nahm statt dessen an, die Wertigkeit eines Atoms 
könne nach graden Zahlen wechseln. So wurden Chlor, Brom und Jod als 
ein-, drei-, fünf- und siebenwertig aufgefaßt, Eisen als zwei-, vier- und 
sechswertig, Gold als ein- und dreiwertig, Zinn und Platin als zwei- und vier 
wertig usw. Um solche Eisenverbindungen wie FeCl 3 in dieses Schema ein- 
ordnen zu können, nahm man an, daß darin sechswertige Doppelatome 
Fe —Fe enthalten sind, und schrieb infolgedessen die Formel des Eisen 
chlorids: 
Cl 3 Fe - FeCl 3 . 
Die Moleküle der einfachen Körper faßte man als aus zwei Atomen 
zusammengesetzt auf, nach Analogie der am besten studierten H 2 , 0 2 und N 2 . 
Bei Phosphor, Arsen und Schwefel ist die Zahl der Atome im Molekül noch 
größer. Die meisten Metalle, die man untersucht hat, bestehen sowohl in 
Gasform wie in gelöstem Zustande aus einfachen Atomen (vgl. S. 62). 
Ihre Atome sind also in diesem Falle nullwertig. V. Meyer 1 ) fand mit Hilfe 
seiner Verdrängungsmethode, daß Moleküle der Formeln FeCl 3 , Fe 2 Cl 4 und 
FeCL in gasförmigem Zustand existieren. Nilson und Pettersson * 2 ) fanden 
auf demselben Wege, daß die Indiumchloride den Formeln InCl, InCl 2 und 
InCl 3 entsprechen, die des Galliums den Formeln GaCL und GaCl 3 und die 
des Chroms den Formeln CrCl 2 , Cr 2 Cl 4 und CrCl 3 . Die ganze Valenzlehre 
verlor dadurch ihre Festigkeit. Man nahm an, in einigen, verhältnismäßig 
wenigen Fällen könne die Wertigkeit beliebige Werte annehmen. Man setzte 
auch bisweilen eine Maximalzahl der Wertigkeit — 8 — fest, so z. B. 
Ab egg 3 ). In jüngster Zeit haben einige Forscher an dem festen Pfeiler der 
Valenzlehre, der Vierwertigkeit des Kohlenstoffes, gerüttelt, indem sie drei 
wertigen Kohlenstoff annehmen, allerdings wie scheint ohne ganz beweis 
kräftige Gründe. 
1) V. Meyer, Ber. 17, 1335, 1884 
2 ) Nilson und Pettersson, C. r. 107, 500 und 527, 1888. 
3 ) Ab egg, Z. f. anorganisch. Ch. 39, 367, 1904.
	        
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