Full text: Theorien der Chemie

in Kalium und S0 4 zerlegt wird, welche sekundär mit Wasser reagieren 
und am negativen Pol Kalilauge und Wasserstoff, am positiven Säure und 
Sauerstoff ergeben. Es kann heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß 
Daniells Auffassung dem wirklichen Vorgang entspricht. Deshalb nimmt 
Werner an, daß die Nebenvalenzen nicht mit elektrischen Ladungen ver 
bunden sind. „Hauptvalenzen“, sagt er, „vereinigen einfache oder zu 
sammengesetzte Radikale miteinander, die als selbständige Ionen auftreten 
können oder deren chemisches Bindevermögen mit demjenigen ionisierbarer 
Radikale äquivalent ist.“ Andere Valenzen sind Nebenvalenzen. Abegg 
dagegen nimmt an, daß seine „Kontravalenzen“ durch entgegengesetzte 
Ladung wie die „Normalvalenzen“ charakterisiert sind. Jedes Atom soll 
in Summa acht Valenzen besitzen. Es ist nicht zu verstehen, wie durch diese 
Annahme die Schwierigkeiten der Berzeliusschen Theorie beseitigt werden 
sollen. Andrerseits muß man Ab egg darin recht geben, daß kaum eine 
so große prinzipielle Verschiedenheit der Haupt- und Nebenvalenzen an 
zunehmen ist, wie darin liegt, daß die einen durch elektrische Kräfte hervor 
gerufen, die anderen aber von solchen Kräften unabhängig sein sollen. 
Erstens ist es in vielen Fällen schwer zu sagen, ob Haupt- oder Neben 
valenzen wirksam sind, es gibt kein allgemeines Merkmal zu ihrer sicheren 
Unterscheidung, nur bei den metallischen Elementen, den Salzbildnern und 
analogen Atomkomplexen, wie Ammonium und Cyan bildet der ionisierte 
Zustand ein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Zweitens stehen auch die 
Nebenvalenzbindungen unter der Herrschaft der Daltonschen Lehre von 
den multiplen Proportionen, was auf Kräfte, die analog den elektrischen 
wirken, hindeutet. 
Um aus diesen Schwierigkeiten möglicherweise einen Ausweg zu 
finden, wollen wir die Bindung zwischen Chlorwasserstoff und Ammoniak 
betrachten, die nach allgemeiner alter Anschauung von Hauptvalenzen, nach 
Werner aber von Nebenvalenzen bedingt wird. Die Wärmeentwicklung 
bei der Bindung beträgt nicht weniger als 41 800 cal., wobei NH 3 und HCl 
in gasförmigem, NH 4 C1 in festem Zustande gerechnet ist. Wie erwähnt 
zerfällt die Verbindung trotz dieser großen Bildungswärme bei Verdampfung 
teilweise in ihre beiden Komponenten, was dazu beigetragen hat, sie als 
molekular zu betrachten. Bei der elektrolytischen Dissoziation in wässeriger 
Lösung zerlegt sich NH 4 C1 in NH 4 mit einer positiven, und CI mit einer 
negativen Ladung. Was zunächst die Konstitution des Ions NH 4 betrifft, 
so sind zwei Ansichten aufgestellt worden, erstens die bisher herrschende, 
wonach N mit vier negativen Valenzen die vier positiven H-Atome bindet 
und eine weitere positive Ladung besitzt, durch deren Vermittlung es das 
negativ geladene Chlorion anlagern kann; zweitens die von Werner und
	        
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