Full text: Theorien der Chemie

89 
Wie aus der Tabelle hervorgeht, ist die Bindung, die zweckmäßig 
als Doppelbindung bezeichnet werden mag, viel schwächer als die einfache 
Bindung, solange die Entfernung e der beiden Moleküle (eigentlich ihre 
Ladungen) größer ist als der Abstand d der beiden Ladungen im Molekül. 
Wenn e gegen Null konvergiert, so nähert sich die zur Lösung der Doppel 
bindungen nötige Energie dem doppelten Werte für die einfache Bindung. 
0 
Wenn — =0,514 wird, so werden die beiden Energien gleich, 
d 
Nun ist es wohl natürlich anzunehmen, daß die Moleküle nicht näher 
aneinander kommen, als die Distanz zweier Valenzstellen im selben Atom 
beträgt. Es ist daher begreiflich, daß im allgemeinen die Doppelbindung 
bedeutend schwächer als die einfache Bindung ist. Die Doppelbindung 
kann offenbar durch äußere elektrische Kräfte nicht zerrissen werden, denn 
bei der Trennung verschiebt sich gleichzeitig gleichviel positive wie negative 
Elektrizität. Ein Potentialgefälle kann also keine Arbeit veranlassen, woraus 
folgt, daß die elektrische Triebkraft gleich Null ist. 
Bei diesen elektrischen Doppelbindungen tritt die Eigentümlichkeit 
hervor, daß die Bindungen innerhalb der einzelnen Moleküle vollkommen 
unberührt bleiben, wenn sich das eine, z. B. HCl, an das andere, z. B. NH 3 
anschließt. (Sekundär können Umwandlungen, z. B. Ionenabspaltungen, ein- 
treten.) Man kann deshalb sagen, daß bei dieser, der molekularen ent 
sprechenden Bindung, die verbundenen Körper unverändert bleiben, wie 
Salz und Wasser in den kristallwasserhaltigen Salzen. Wird-die eine Ladung 
abgespalten, wie bei NH 4 C1, so wird natürlich die Doppelbindung gelöst und 
zwischen dem einen Teilmolekül (hier H) und dem zweiten unveränderten 
Molekül (hier NH 3 ) kommt ein näherer Zusammenschluß zustande. Wenn 
dagegen keine nachträglichen Reaktionen eintreten, so bleiben alle haupt 
sächlichen Eigenschaften der durch Doppelbindung vereinigten Moleküle 
erhalten und man kann sie in der Verbindung als fortbestehend ansehen. Da 
durch unterscheidet sich die Doppelbindung von der einfachen, z. B. der 
Bindung eines K-Atoms an ein J-Atom. 
Es gibt nur ziemlich wenige Moleküle oder Atome, denen diese Fähig 
keit eigen ist, durch Doppelbindung mit anderen ähnlichen Molekülen oder 
Atomen zusammenzutreten. In erster Reihe steht das Wasser, daher muß 
man dem Sauerstoff außer den zwei negativen Valenzen noch eine Doppel 
valenz mit einer positiven und einer negativen Ladung zuschreiben. In 
jüngster Zeit haben sich ja ohnedies viele Forscher, z. B. Baeyer und 
Villiger 1 ) veranlaßt gesehen, Vierwertigkeit beim Sauerstoff anzunehmen. i) 
i) Baeyer und Villiger, B. Ber. 34, 2679, 3612, 1901. 35, 1201, 1902.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.