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Die Tatsache, daß ein Kathodenstrahl Metallblätter bis zu 0,03 mm
Dicke zu durchdringen vermag, zeigt, daß die Elektronen durch Tausende von
Molekülen hindurchgehen können. Zwischen den Elektronen, die das Metall
molekül aufbauen, müssen daher große Zwischenräume frei sein.
Nun ist laut Definition der Absorptionskoeffizient das Maß für die
Summe der Querschnitte aller entgegenstehenden Teilchen in 1 cm 3 . Die
schnelle Zunahme des Absorptionskoeffizienten mit abnehmender Geschwin
digkeit der Elektronen deutet Lenard als Folge der Ablenkung, die die
Bahn der Elektronen durch die elektrischen Ladungen der Teilchen erfährt.
Der wahre Querschnitt der Elektronen muß gleich dem niedrigsten Grenz
wert sein, dem der Absorptionskoeffizient zustrebt, wenn sich die Ge
schwindigkeit der auftreffenden Kathodenstrahlen der Lichtgeschwindigkeit
nähert. (Eine größere Geschwindigkeit ist theoretisch unmöglich.) Daher
muß der Querschnitt der sämtlichen Elektronen in 1 cm 3 Wasserstoff von
1 mm Druck kleiner als 0,0000006 cm 2 sein. Nach der kinetischen Gas
theorie ist der Querschnitt der Wasserstoff-Moleküle unter denselben Be
dingungen 13 cm 2 . Gesetzt nun, daß N die Anzahl Wasserstoff-Moleküle
in 1 cm 3 Gas von 1 mm Druck sei, so ist die Summe ihrer Querschnitte
Q = N^R 2 , wo R der Radius des Wasserstoff-Moleküls ist. Wenn ferner
jedes Wasserstoffmolekül 3400 Elektronen vom Radius r enthält, so muß
die Summe von deren Querschnitten sein q = 3400 N^rr 2 . Nun ist das Ver
hältnis q:Q annähernd gleich 0,0000006:13, und gleich dem Verhältnis
3400 r 2 :R 2 . Nach der kinetischen Gastheorie ist R etwa 0,1 • 10' 7 cm.
Folglich haben wir:
3400 r 2 : (0,1 • 10' 7 ) 2 = 6 • 10' 7 :13,
woraus wir erhalten r — 0,37 • 10' 13 cm. (Vgl. Kap. 9 S. 129 und 133.) Das Vo
lumen der Elektronen im Wasserstoffmolekül ist nur ein kleiner Bruchteil des
3400 • (0,37 • 10- 13 ) 3
ganzen Molekülevolumens, nämlich ^ = 1,7 • 10‘ 13 , weniger als
ein Billionstel. Wasserstoff gas vom Druck 1 mm hat die Dichte 0,00000011,
200 Millionen mal kondensiert würde es eine Substanz von der annähernden
Dichte des Platins geben. Das Volumen der Elektronen in dieser Substanz
wäre nur etwa 60 cm 3 in einem Würfel von 1 m Kante (1 Million cm 3 ).
Die Moleküle des Platins füllen etwa 0,4 des Raumes aus.
Neuerdings hat Crowther 1 ) eine Bestimmung über die Durchlässig
keit verschiedener Materialien für ß-Strahlen ausgeführt. Seine Zahlen hat
er dann umgerechnet, so daß er die Durchlässigkeit der verschiedenen
x ) Crowther, Phil. Mag. (6), 12, 379, 1906. Etwas abweichende Werte
gibt H. W. Schmidt an (Jahrb. d. Radioaktivität, 5, 451, 1908).