seine Formel H 2 0, genau wie wir heute. Aber der Satz von Berzelius ließ
sich nicht auf alle Gase ausdehnen. Es war beobachtet, daß ein Raumteil
Wasserstoff und ein Raumteil Chlor zu zwei Raumteilen Chlorwasserstoff
zusammentreten. Wenn der Chlorwasserstoff im gleichen Volumen gleich
viel Atome wie die elementaren Gase enthielt, so verbände sich ein Atom
Wasserstoff mit einem Atom Chlor zu zwei Atomen Chlorwasserstoff, was
unvereinbar mit der Atomvorstellung ist. Man darf nämlich nicht annehmen,
daß ein Atom Wasserstoff zwischen den zwei neugebildeten Chlorwasser
stof fatomen verteilt wird.
Aus dieser Schwierigkeit fand ein italienischer Gelehrter, Avogadro,
einen sehr einfachen Ausweg. Er führte einen neuen Begriff ein, den des
Moleküls, und nahm an, daß ein Molekül Wasserstoff aus zwei Atomen
Wasserstoff besteht, und ähnlich das Chlormolekül aus zwei Chloratomen.
Sein Satz war, daß gleiche Raumteile verschiedener Gase — bei gleicher
Temperatur und Druck — gleichviel Moleküle enthalten. Ein Molekül, d. h.
zwei Atome, Wasserstoff, und ein Molekül, d. h. zwei Atome Chlor, geben
zwei Moleküle Chlorwasserstoff. Ebenso erklärt sich auf einfache Weise,
daß ein Raumteil = Molekül = zwei Atome Sauerstoffgas und zwei Raum
teile = zwei Moleküle = vier Atome Wasserstoff gas zwei Raumteile = zwei
Moleküle Wasser H 2 0 geben, und daß ein Raumteil = Molekül = zwei
Atome Stickstoff zusammen mit drei Raumteilen = drei Molekülen = sechs
Atomen Wasserstoff zu zwei Molekülen (Raumteilen) Ammoniak (NH 3 )
werden.
Aber lange Zeit verstrich, ehe Avogadros Gedanken durchdrangen.
Erst die mächtige Entwicklung der organischen Chepiie um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts, durch die eine große Anzahl bei gewöhnlicher oder
leicht erreichbarer Temperatur gasförmiger Körper bekannt wurde, brachte
die klare Erkenntnis des Nutzens von Avogadros Gesetz. Mit Hilfe dieses
Gesetzes ließen sich die Dichten all dieser Gase berechnen, wenn ihre
Zusammensetzung bekannt war und über ihre Konstitution ein bestimmter
Anhalt gegeben war. Der Erfolg war unzweifelhaft und Avogadros Gesetz
ist seitdem grundlegend für die Chemie.
Aber es blieben noch einige Schwierigkeiten. So ergab sich die
Gasdichte des Salmiaks zu nur 1,01, wenig über die Hälfte des nach der
Formel NH 4 C1 berechneten Wertes 1,84. Der Salmiak ist eine Verbindung
von Ammoniak und Chlorwasserstoff nach gleichen Volumen, und muß
daher die Formel NH 4 C1 oder ein Multiplum davon besitzen. Solche
„abnormen“ Gasdichten zeigten auch die Verbindungen NH 4 CN, PH 4 Br,
PH 4 C1, (NH 4 ) 2 S, NH 4 SH, PC1 5 und NH 4 OCONH 2 . Cannizzaro 1 ) fand schon
O S. Cannizzaro, Ostwalds Klassiker d. exact. Wissensch. No. 30.