Full text: Theorien der Chemie

190 
ristischen Reaktionen des Ferro-Ions, z. B. werden sie von Alkalikarbonaten 
und -Hydraten gefällt, sie geben mit Ferricyankalium einen blauen Nieder 
schlag (Turnbulls Blau) usw. Für Ferrocyankalium, das früher als ein 
Ferrosalz betrachtet wurde, gilt das indessen nicht. Den Grund davon habe 
ich in meiner Inaugural-Dissertation aus dem Jahre 1884 angegeben: die 
Ferrocyanide enthalten das positive Ferro-Ion nicht, wenigstens nicht in 
merklicher Menge. Ein anderes, noch instruktiveres Beispiel ist von Ost 
wald beigebracht worden. Alle echten Chloride geben einen weißen flockigen 
Niederschlag mit Lösungen von Silbersalzen (am meisten verwandt wird das 
Silbernitrat). Man sagte daher früher, daß die Silbersalze Reagenzien auf 
Chlor sind. Jetzt sagen wir, daß Silberionen Reagenzien auf Chlorionen 
sind. Diese Formulierung ist besser als die alte, denn weder alle Silber 
salze (z. B. Kaliumsilbercyanid und viele andere Silberverbindungen) noch 
alle Chlorverbindungen (z. B. Kaliumchlorat und viele organische Chloride) 
geben diese charakteristische Reaktion. Der Versuch gelingt vielmehr nur 
mit solchen Silber- und Chlorverbindungen, die in meßbarem Grade in Silber 
und Chlorionen zerfallen sind. Diese Ionen müssen, der Theorie nach, in 
solcher Menge zugegen sein, daß die Menge des nach der Gleichgewichts 
formel 
Ag + Cl-Z^AgCl 
entstehenden Chlorsilbers größer ist, als die lösliche Menge dieses Salzes. 
Ostwald 1 ) hat diese und andere Fragen ausführlich behandelt, 
und so die allgemeinen Erscheinungen der analytischen Chemie dargestellt, 
denen früher die exakte wissenschaftliche Begründung fehlte. 
In dieses Kapitel gehören auch die giftigen und heilkräftigen Eigen 
schaften gewisser Salze, eine Wirkung, die man als eine speziell physio 
logische Reaktion dieser Salze auffassen kann. So ist es z. B. seit lange 
bekannt, daß äquivalente Mengen verschiedener Kaliumsalze dieselbe Gift 
wirkung ausüben — soweit das begleitende negative Ion unschädlich ist 
— und daß äquivalente Mengen verschiedener Chininsalze dieselbe Heil 
kraft haben. In diesen beiden Fällen kann man ohne einen merklichen 
Fehler zu begehen, eine vollständige Spaltung der Salze in ihre Ionen 
annehmen, wenn sie in den Körperflüssigkeiten gelöst sind. In anderen 
Fällen, bei Quecksilbersalzen z. B., ist die elektrolytische Dissoziation nur 
klein, und bei den verschiedenen Salzen nicht gleich, selbst bei der großen 
Verdünnung noch nicht, in der sie im Körper enthalten sind. Diese 
Dinge sind vom Standpunkte der elektrolytischen Dissoziationstheorie aus 
x ) Vgl. Ostwald, Die wiss. Grundlagen d. analyt. Chemie. Leipzig 1904.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.