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Einer der erfahrensten Arbeiter auf dem Gebiet der nicht-wässerigen
Lösungen, Carrara 1 ), kommt auch zu dem Schluß, daß ein wesentlicher
Unterschied zwischen wässerigen und anderen Lösungen nicht stattfindet,
sondern daß die Schlüsse aus der elektrolytischen Dissoziationstheorie
richtig sind und alle scheinbaren Abweichungen zu erklären vermögen.
Der heftigste Angriff auf die neueren Theorien ist von Kahlenberg
ausgegangen. 2 ) Er bestimmte den osmotischen Druck von Rohrzuckerlösungen
in Pyridin gegen eine Membran von Kautschuk, die sie von reinem Pyridin
trennte, und fand, „daß die Gasgesetze nicht für Lösungen zutreffen“.
Diese Messungen wurden von Cohen und Commelin wiederholt. Es
zeigte sich, daß sie mit ganz ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden
waren, welche große Fehler bei Kahlenbergs Versuchen herbeigeführt
hatten, und daß seine Ergebnisse keineswegs zu jenem Schluß berechtigten 3 ).
Einige schwache Säuren folgen auch in wässeriger Lösung nicht
dem Ostwaldschen Verdünnungsgesetz. Die meisten derartigen Körper
gehören zu der sehr wichtigen Klasse der amphoteren Elektrolyte, welche
sowohl als Säuren als auch als Basen auftreten können, wie es ja auch das
Wasser tut. Die am besten bekannten Körper dieser Klasse sind die
Amidosäuren, wie Asparaginsäure und Amidobenzoesäure (Glykokoll), welche
von großer Bedeutung in der physiologischen Chemie sind; zu denselben
gehören auch die Eiweißstoffe sowie die meisten ihrer Abbauprodukte.
Es ist deshalb von großer Bedeutung, daß ihr Verhalten theoretisch aufge
klärt worden ist, und daß die Gesetze der Lösungen für sie vollkommen
zutreffen. Die erste Arbeit auf diesem Gebiet rührt von Bredig und
Winkelblech 1 ) her, besonders wichtig sind die Untersuchungen von
James Walker 5 ) und Lunden 6 ) über das Verhalten dieser Körper.
Bisweilen findet man auch Salze, die relativ wenig von dem Ostwald
schen Gesetz abweichen, wie Kupferazetat, Brechweinstein und neuerdings
nach Biltz’ Untersuchung Rubidium- und Caesiumnitrat 7 ). Diese Fälle sind
sehr selten, werden wohl aber von Bedeutung sein bei einer künftigen
!) Carrara, Mem. R. Acad. dei Lincei (5), 6, 268—291, 1906.
2 ) Kahlenberg, Trans. Wisc. Acad. 15, 209, 1906, Journal of physical.
Chemistry 10, 141, 1906.
3 ) Cohen und Commelin, Zeitschr. f. physikal. Chemie, 64, 1, 1908.
4 ) Bredig, Zeitschr. f. Elektrochemie, 6, 34, 1899, Winkelblech, Zeitschr.
f. physikal. Ch. 36, 546, 1901.
5 ) James Walker, Proc. Roy. Soc. 73, 155, 1904. Zeitschr. f. physikal.
Ch. 49, 82, 1904, 51, 706, 1905.
6 ) H. Lunden, Zeitschr. f. phys. Ch. 54, 532, 1906. Medd. fr. Vet. Akads.
Nobelinst. 1, No. 11, 1908. Journ. biolog, Chemistry 4, 267, 1908.
7 ) W. Biltz, Zeitschr. f. phys. Ch. 40, 217, 1902.