Full text: Theorien der Chemie

kann und einen Anfang und ein Ende hat, stellte er den Satz auf, daß 
„nichts aus nichts gemacht werden kann und daß es unmöglich ist, irgend 
etwas zu vernichten. Alles was in der Welt geschieht, besteht in einer 
Veränderung der Mischung und Form und in der Trennung der Körper." 
In der Tat ist es auch viel schwieriger sich vorzustellen, daß Materie ver 
nichtet wird oder aus nichts entsteht, als daß neu auftretende Erscheinungs 
formen der Materie durch Umwandlung von früheren Formen derselben 
Materie zum Vorschein kommen. In den Sagen der verschiedenen Völker über 
die Entstehung der Welt findet man auch regelmäßig den Gedanken ausge- 
gesprochen, daß die Materie ursprünglich da war, gewöhnlich in ungeord 
neter Form („Chaos“)- Die „Weltschöpfung“ bestand in einer Trennung der 
gemischten Materialien und in einer Formgebung. Diese Ansicht beherrscht 
auch die griechischen und indischen Philosophen, sowie die Philosophen und 
Naturforscher der neueren Zeit. Bei van Helmont (1577—1644) finden wir 
den durch zahlreiche Versuche und speziell durch Wägungen erhärteten 
Satz, daß die „Substanz nichts verleuret“, sondern nur ihre Gestalt ändert. 
Wir finden auch, daß John Mayow in der Mitte des 17. Jahr 
hunderts den Gedanken aussprach, daß die atmosphärische Luft einen 
Stoff enthält, der auch im Salpeter zugegen ist und der sich mit den Me 
tallen verbindet, um die Kalke zu bilden. Derselbe Stoff ist für die Atmung 
notwendig und verwandelt venöses Blut in arterielles. Mayow starb 1679 
im Alter von nur 34 Jahren, was wahrscheinlich der Grund war, daß er 
seinen Ideen keine größere Verbreitung erwerben konnte. Sie wurden 
schnell vergessen, aber ein Jahrhundert später entdeckte und befestigte 
Lavoisier dieselben Grundsätze von neuem und brachte die phlogistische 
Hypothese zu Fall. In der Tat finden wir, daß Lavoisier die Wage zu 
quantitativen Untersuchungen anwandte 1 ), und er fand, daß bei der Oxy 
dation eines Metalls durch Luft in einem geschlossenen Gefäß das Gewicht 
konstant blieb, d. h. „nichts kann geschaffen werden unpl bei jedem Vor 
gang ist gleichviel Substanz (Quantität der Materie) vorhanden, bevor und 
nachdem der Prozeß vor sich gegangen ist. Es gibt nur eine Verwandlung 
*) Wie wir gesehen haben, hatte schon Archimedes die Wage gelegent 
lich zu quantitativen Untersuchungen benutzt. Der Archimedische Versuch 
wurde im Mittelalter sehr bewundert und die arabischen Gelehrten beschreiben 
mit Vorliebe wie man mit Hilfe von Wägungen nach Archimedes’ Vorgang 
entscheiden kann wie eine aus zwei bekannten Metallen bestehende Legie 
rung quantitativ zusammengesetzt ist. Da diese Methode als der Höhepunkt 
der „Scheidekunst“ galt, die mit der Chemie als identisch oft angesehen wurde, 
so findet man auch in den arabischen Schriften die Wage als das „Werkzeug 
des Chemikers“ charakterisiert.
	        
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