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oder Modifikation der Materie.“ 1 ) Die Worte haben eine ganz auffallende
Ähnlichkeit mit denen, die Empedokles gebrauchte und sie enthalten
das Gesetz der „Erhaltung der Materie“, das, wie man später erkannte,
alle Naturerscheinungen beherrscht. Aber es besteht auch ein großer Unter
schied zwischen Empedokles und Lavoisier. Empedokles gab keine
Anweisung, wie man die Quantität der Materie messen sollte, seine Idee
war nur verschwommen und philosophisch. Lavoisier dagegen führte die
Wage zur Messung der Quantität der Materie ein und zeigte durch Experi
mente mit verschiedenen Körpern, wie Schwefel, Phosphor, Quecksilber,
Blei und Zinn, daß sein Gesetz innerhalb der Versuchsfehler genau war.
Wir dürfen deswegen sagen, daß Lavoisier die bewunderungswürdige
Hypothese von Empedokles in eine wissenschaftliche Theorie umwandelte,
die von da an die wissenschaftliche Physik und Chemie beherrscht hat.
Jede Analyse liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit von Lavoi-
siers Ableitungen.
In neuerer Zeit sind einige Untersuchungen unternommen worden,
besonders von Landolt * 2 ) und Heydweiller 3 ), die zu zeigen scheinen,
daß bei gewissen chemischen Prozessen sehr leichte Abweichungen von
Lavoisiers Gesetz beobachtet werden können. Darauf hin sieht man bis
weilen die Ansicht auftauchen, es sei durch diese Versuche bewiesen, daß
die „Quantität der Materie“ nicht vollkommen unveränderlich sei, sondern
daß kleine Mengen Substanz aus nichts (oder Äther) entstehen oder um
gekehrt verschwinden könnten. Im unendlichen Lauf der Zeit hätte sich
ein solcher Prozeß beliebig viele Male wiederholen können, und so wäre
es denkbar, daß allmählich alle jetzt vorhandene Materie aus nichts (oder
Äther) entstanden sei. Diesem phantastischen Gedanken wird jedoch der
Boden durch die jüngste Veröffentlichung von Landolt entzogen, in der
er nach einer kritischen Sichtung seines großen Materials zum Schluß
kommt, daß die von ihm beobachteten Gewichtsänderungen als auf Ver
suchsfehlern beruhend, die hauptsächlich von geringen Temperaturände
rungen herrührten, angesehen werden können. 4 ) Ohne Zweifel gilt ähn
liches für die Beobachtungen von Heydweiller. Natürlicherweise können
die Anhänger der „Schöpfungs-Theorie“ ihre Ansicht immer damit ver
teidigen, daß Gewichtsänderungen, die unterhalb der beobachtbaren Quanti
täten liegen, nicht als unmöglich nachgewiesen sind. Diese „Denkweise“
x ) Lavoisier, Traité de Chinde. Oeuvres Bd. 1, 101.
2 ) Landolt, Z. f. phys. Ch. 12 , 1, 1893.
3) Heydweiller, Phys. Z. 1, 527, 1900. 3, 425, 1902. Ann. d. Ph. (4) 5,
394, 1901.
4 ) Landolt, Sitzber. d. Berl. Ak. d. Wiss. 1908, S. 354—387.