Full text: Theorien der Chemie

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metrischen“ Verhältnissen verbinden. Richter stellte auch den Satz auf: 
wenn gleiche Mengen derselben Säure von verschiedenen Mengen zweier 
oder mehrerer Basen neutral gemacht werden, so sind die letzteren ein 
ander äquivalent und vice versa. Man findet nach Richter dieselben 
Äquivalentzahlen für verschiedene Basen, gleichgültig ob man Salpeter 
oder Salz- oder Schwefelsäure oder irgendeine andre Säure benutzt. 
Der schwedische Chemiker Scheele hatte entdeckt, daß manche 
Metalle (Eisen, Kupfer und Quecksilber) verschiedenen Oxydationsgraden 
unterworfen sind. Richter leitete daraus den Schluß ab, daß die Mengen 
Säure, die die verschiedenen Oxyde in ihren Salzen gebunden halten, den 
Mengen Sauerstoff proportional sind, den die Oxyde enthalten. Von hier 
aus kam er natürlicherweise zu der Ansicht, daß die zwei Oxyde des Eisens 
und des Quecksilbers Sauerstoff in je zwei konstanten Verhältnissen enthalten. 
Diese Eigentümlichkeit der konstanten Proportionen ist charakte 
ristisch für die Chemie im Gegensatz' zur Physik, wo der einfachere kon 
tinuierliche und schrittweise Übergang vorherrscht, z. B. bei Mischungen 
von Alkohol und Wasser. Deshalb wird es uns nicht verwunderlich er 
scheinen, daß ein Chemiker wie Berthollet, der mit der höher ent 
wickelten physikalischen Wissenschaft wohl vertraut war, der Meinung an 
hing, daß chemische Verbindungen, z. B. Quecksilbernitrate, sich genau 
wie Mischungen verhalten, so daß die darin enthaltenen Elemente kon 
tinuierlich variiert werden können. (Richters Arbeiten waren damals 
sehr wenig bekannt.) Ein Landsmann Berthollets, Proust, war eifriger 
Anhänger der atomistischen Theorie und sprach die Ansicht aus, daß 
die Verbindungen eine ganz konstante Zusammensetzung haben müssen, 
da sie durch Zusammenschließung von einer bestimmten Zahl verschiedener 
Atome von gegebenem Gewicht zustande kommen. Seine Analysen, die er 
zur Stütze seiner Schlüsse anführte, „waren häufig sehr schlecht und er 
gab die Zusammensetzung von Körpern an, die nie existiert haben“. 1 ) Daß 
er und Dal ton den Sieg über Berthollet errangen, beruhte nicht soviel 
auf der Beweiskraft ihrer Arbeiten, als vielmehr auf der allgemeinen 
Herrschaft der atomistischen Ansichten. Proust prüfte die Angaben von 
Berthollet über Verbindungen von veränderlicher Zusammensetzung und 
zeigte, daß sein Landsmann mit Mischungen und nicht mit definierten 
chemischen Verbindungen gearbeitet hatte. Berthollets glänzende Ideen 
empfingen später neues Leben durch die Untersuchungen der norwegischen 
Chemiker Guldberg und Waage und ihr Gesetz der chemischen Massen 
wirkung. 
1 ) Le Ch atelier, Leçons sur le carbone S. 399.
	        
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