Full text: Theorien der Chemie

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Bestimmungen von Stas, und in neuerer Zeit von Lord Rayleigh 1 ) und 
anderen, beweisen mit Gewißheit, daß die Atomgewichte von Chlor und 
Sauerstoff nicht mit Pr out s Hypothese in Übereinstimmung gebracht werden 
können. 
Eine sehr originelle Begründung einer ähnlichen Hypothese hat 
vor etwa 30 Jahren Lockyer * 2 ) mit astronomischen Gründen gegeben. Die 
Spektren der heißesten Sterne scheinen darauf hinzudeuten, daß dieselben 
hauptsächlich aus Wasserstoff bestehen. Andrerseits zeigt das Spektrum 
der Sonne und andrer Himmelskörper, die nicht zu der heißesten Stern 
klasse gehören, die Wasserstofflinien sehr geschwächt und von den Linien 
vieler anderer Elemente begleitet. Nun ist es natürlich, anzunehmen, und 
die Annahme wird durch die Spektralanalyse der Sterne bestätigt, daß die 
Materie ziemlich gleichförmig im Universum verbreitet ist. Daraus leitet 
Sir Norman Lockyer die Idee her, daß bei sehr hoher Temperatur alle 
Elemente in Wasserstoffatome zerfallen. Aber die neueren Unter 
suchungen scheinen zu zeigen, daß Sterne, die noch heißer als die Wasser 
stoffsterne sind, hauptsächlich das neuentdeckte Element Helium enthalten. 
In den Gasnebeln des Himmels, welche den Urstoff enthalten sollten, findet 
man außer Wasserstoff und Helium noch ein anderes Element, das soge 
nannte Nebulium, das durch einige in den Spektren irdischer Körper 
nicht wiedergefundene Linien gekennzeichnet ist. Darum scheinen Lockyers 
Gedanken nicht durchführbar zu sein. Das Daltonsche Gesetz setzt voraus, 
daß die chemischen Elemente nicht ineinander verwandelbar seien, ein 
Gesetz, das als dasjenige der „Erhaltung der Elemente“ bezeichnet wird. 
Es hat viel Mühe gekostet, bis man soweit kam, daß dieses Gesetz an 
erkannt wurde. Die Alchemisten nahmen meistens als selbstverständlich 
an, daß die Metalle ineinander verwandelt („trasmutiert“) werden können. 
Schon zu Gebers Zeiten (im achten Jahrhundert) traten Zweifel an 
der Möglichkeit der Transmutation hervor, wie man aus seinen Be 
mühungen diese Zweifel zu widerlegen ersehen kann. 3 ) van Helmont war 
ein überzeugter Anhänger der Transmutationslehre. Boyle (1627—1691) 
glaubte, daß seine chemischen Elemente aus ein und demselben Urstoff auf 
gebaut seien. Zu seiner Zeit trat jedoch der Umschwung in den Ansichten 
ein. Die meisten Chemiker sprachen sich im 18. Jahrhundert gegen die 
Transmutation aus, und nach Lavoisiers Auftreten war diese Lehre ganz 
x ) Rayleigh, Z. f. phys. Ch. 42, 705, 1905. 
2 ) Lockyer, Beibl 3, 88 (1879). (Vollständige Übersetzung). Lockyer 
hat seine Ansichten in dieser Frage in einer Spezialarbeit „Inorganic Evo 
lution“. London 1900 mit grosser Ausführlichkeit entwickelt. 
3 ) Vgl. Berthelot: Les origiues de l’alchimie, S. 288. Paris 1885.
	        
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