Full text: Theorien der Chemie

41 
Individuen entstehen, eine auffallende Ähnlichkeit mit Laboratoriums-Me 
thoden aufweisen. 
# 
Um diese Behauptung besser zu verstehen, wollen wir kurz die Be 
dingungen überschauen, die in der Natur die Entstehung chemischer Körper 
beherrschen. 
Schon die Philosophen des Altertums bemerkten die große Ver 
schiedenheit der drei Aggregatszustände, in denen die Naturprodukte uns 
entgegentreten, des gasförmigen, flüssigen und festen. Der gasförmige und 
der flüssige Aggregatszustand stehen nach heutiger Anschauung in sehr 
naher Beziehung zueinander, und es ist möglich, eine Substanz stetig aus 
dem flüssigen in den gasförmigen Zustand überzuführen und umgekehrt. 
Die gemeinsame Eigentümlichkeit dieser beiden Zustände ist die Beweglich 
keit der Stoffteilchen gegeneinander. Wenn wir zwei Gase, z. B. Sauer 
stoff und Wasserstoff, so in ein Gefäß bringen, daß der leichtere Wasser 
stoff obenauf ist, so finden wir, daß sich die Gase miteinander mischen. Wir 
nennen diesen Prozeß Diffusion, und sein Effekt ist schließlich eine gleich 
förmige Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff, die entgegen der Schwer 
kraft zustande gekommen ist. Um diese Erscheinung zu verstehen, scheint 
es notwendig, anzunehmen, daß die letzten Teilchen beider Gase — die 
Moleküle — in unablässiger Bewegung begriffen sind, die sie bis zur voll 
ständigen Mischung durcheinander treibt. (Von dem außerordentlich kleinen 
Einfluß der Schwere oder anderer äußerer Kräfte auf das Gleichgewicht 
sehen wir hier ab.) 
Das gleiche gilt von zwei Flüssigkeiten, die sich in allen Verhältnissen 
ineinander lösen, z. B. Alkohol und Wasser. Wir nehmen daher eine analoge 
Bewegung der Flüssigkeitsteilchen an. Eine neue Erscheinung, auf die wir 
hier stoßen, ist der häufige Fall, daß sich zwei Flüssigkeiten nicht in allen 
Verhältnissen mischen, z. B. Äther und Wasser. 
Wenn wir nun zu festen Körpern übergehen, wird alles ganz anders. 
Wir können einen Eiskristall und einen Chlornatriumkristall noch so dicht 
aneinander legen, bei einer Temperatur unter —21,3° C bleiben sie unver 
ändert, sie mischen sich nicht miteinander. Darauf beruht die alte Regel, 
die schon den Alchemisten bekannt war, daß im allgemeinen nur gelöste, 
d. h. flüssige, oder gasförmige Stoffe, nicht aber feste Körper, chemisch 
reagieren. Die Moleküle starrer Körper unterscheiden sich von denen der 
Flüssigkeiten durch die Eigentümlichkeit, daß sie an bestimmte relative 
Lagen fest gebunden sind. Es ist wahrscheinlich, daß sie sich bewegen, aber 
dann nur so, daß sie um eine mittlere Lage schwingen. Es gibt einige Be 
merkenswerte Ausnahmen von dieser Regel. Einige feste Stoffe mischen sich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.