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Individuen entstehen, eine auffallende Ähnlichkeit mit Laboratoriums-Me
thoden aufweisen.
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Um diese Behauptung besser zu verstehen, wollen wir kurz die Be
dingungen überschauen, die in der Natur die Entstehung chemischer Körper
beherrschen.
Schon die Philosophen des Altertums bemerkten die große Ver
schiedenheit der drei Aggregatszustände, in denen die Naturprodukte uns
entgegentreten, des gasförmigen, flüssigen und festen. Der gasförmige und
der flüssige Aggregatszustand stehen nach heutiger Anschauung in sehr
naher Beziehung zueinander, und es ist möglich, eine Substanz stetig aus
dem flüssigen in den gasförmigen Zustand überzuführen und umgekehrt.
Die gemeinsame Eigentümlichkeit dieser beiden Zustände ist die Beweglich
keit der Stoffteilchen gegeneinander. Wenn wir zwei Gase, z. B. Sauer
stoff und Wasserstoff, so in ein Gefäß bringen, daß der leichtere Wasser
stoff obenauf ist, so finden wir, daß sich die Gase miteinander mischen. Wir
nennen diesen Prozeß Diffusion, und sein Effekt ist schließlich eine gleich
förmige Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff, die entgegen der Schwer
kraft zustande gekommen ist. Um diese Erscheinung zu verstehen, scheint
es notwendig, anzunehmen, daß die letzten Teilchen beider Gase — die
Moleküle — in unablässiger Bewegung begriffen sind, die sie bis zur voll
ständigen Mischung durcheinander treibt. (Von dem außerordentlich kleinen
Einfluß der Schwere oder anderer äußerer Kräfte auf das Gleichgewicht
sehen wir hier ab.)
Das gleiche gilt von zwei Flüssigkeiten, die sich in allen Verhältnissen
ineinander lösen, z. B. Alkohol und Wasser. Wir nehmen daher eine analoge
Bewegung der Flüssigkeitsteilchen an. Eine neue Erscheinung, auf die wir
hier stoßen, ist der häufige Fall, daß sich zwei Flüssigkeiten nicht in allen
Verhältnissen mischen, z. B. Äther und Wasser.
Wenn wir nun zu festen Körpern übergehen, wird alles ganz anders.
Wir können einen Eiskristall und einen Chlornatriumkristall noch so dicht
aneinander legen, bei einer Temperatur unter —21,3° C bleiben sie unver
ändert, sie mischen sich nicht miteinander. Darauf beruht die alte Regel,
die schon den Alchemisten bekannt war, daß im allgemeinen nur gelöste,
d. h. flüssige, oder gasförmige Stoffe, nicht aber feste Körper, chemisch
reagieren. Die Moleküle starrer Körper unterscheiden sich von denen der
Flüssigkeiten durch die Eigentümlichkeit, daß sie an bestimmte relative
Lagen fest gebunden sind. Es ist wahrscheinlich, daß sie sich bewegen, aber
dann nur so, daß sie um eine mittlere Lage schwingen. Es gibt einige Be
merkenswerte Ausnahmen von dieser Regel. Einige feste Stoffe mischen sich