Full text: Theorien der Chemie

Sonnen- und Planetensystem, das eine Menge Wasser darstellt, muß jeden 
beliebigen Wasserstoffgehalt aufweisen können, oder Wasser könnte nach 
dieser Auffassung keine konstante Zusammensetzung haben. Nur durch 
wirkliche experimentelle Erfahrung kam Proust zu dem Schlüsse, daß sich 
Sauerstoff mit Zinn nur in zwei vollkommen bestimmten Verhältnissen ver 
bindet, entgegen den herrschenden Ansichten jener Zeit, die durch Ber- 
thollet vertreten sind. Ebenso ging Dalton in seiner klassischen Unter 
suchung über die multiplen Proportionen vor. Die chemischen Verbindungen, 
die er untersuchte, nahm er, wie sie zu jener Zeit zu finden waren, natürlich 
vorkommend oder dargestellt nach Methoden, die Chemiker wie Cavendish, 
Priestley, Davy und er selbst erfunden hatten, ohne an die konstante 
Zusammensetzung zu denken. Danach scheint mir Walds Grundannahme, 
daß wir eine Substanz als einfaches chemisches Individuum nicht anerkennen, 
wenn sie nicht eine konstante Zusammensetzung hat, für die Zeit der Be 
gründung von Daltons Gesetz nicht haltbar. Später, als das angehäufte 
experimentelle Material eines Jahrhunderts die Gültigkeit dieses Gesetzes 
mit Evidenz gezeigt hatte, schien es so wohl begründet, daß man es als 
Prüfstein für die Reinheit chemischer Individuen anwenden konnte. Da 
diese Anwendung des Gesetzes nie zu falschen Schlüssen geführt hat, haben 
wir einen neuen starken Beweis zugunsten seiner Gültigkeit gewonnen. 
Walds Anschauung scheint einen „circulus in demonstrando“ einzuschließen. 
Daher meine ich, daß die Worte, die Helmholtz in seiner Faraday-Vor- 
lesung 1881 sagte, noch Bestand haben: „Wir haben noch keine genügend 
ausgebildete Theorie, die alle Tatsachen der Chemie so einfach und so 
zusammenhängend erklären könnte, wie die atomistische Theorie in der 
Gestalt, wie die moderne Chemie sie entwickelt hat.“ 
Die Ansichten von Wald haben in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit 
auf sich gezogen, seitdem Ostwald in seiner Faraday-Rede ihnen die 
Stütze seiner großen Autorität verliehen hat. 1 ) 
Auch der berühmte Physico-Chemiker Le Chatelier hat an mehreren 
Stellen sich in einer Weise ausgesprochen, die für die Waldschen Ansichten 
günstig erscheint. * 2 3 ) 
Die Aufsehen erregenden Ansichten von Ostwald haben eine Dis 
kussion der vorliegenden Frage veranlaßt, durch welche jetzt wohl volle 
Klarheit gewonnen worden ist. Ostwald sagt, daß auch ein Gesetz an 
genommen werden müßte, das er „das Gesetz der integralen Reaktionen“ :t ) 
nennt. Es sagt, was a priori nicht verständlich ist, daß die Menge von 
U Ostwald, Faraday-Rede 1904; Journ. Chem. Soc. Vol. 25 p. 518. 
2 ) Le Chatelier: Leçons sur le carbone S. 378, 379, 385 und 400. 
3 ) Ostwald: Prinzipien der Chemie, S. 383. Leipzig- 1907.
	        
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