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wie die hypothetischen kleinen Molekularmagnete in einem Magneten. Die
Elektrolyse kommt dadurch zustande, daß das äußerste Kaliumatom an
der negativen Elektrode und das äußerste Chloratom an der positiven
Elektrode in Freiheit gesetzt wird. Grotthuß, ebenso wie Davy und
Faraday, betrachteten die Elektroden als Wege, auf denen die positive
und negative Elektrizität in die elektrolytische Flüssigkeit einströmt, um
sich mit den negativen und positiven Ionen zu verbinden. Das Wort „Elek
trode“ ist von Faraday aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet
„Weg der Elektrizität“.
Nachdem die ersten Ionen abgegeben sind, verbindet sich das Chlor
atom des ersten Moleküls mit dem Kaliumatom des zweiten Moleküls, das
Chloratom des zweiten Moleküls mit dem Kaliumatom des dritten, und so
fort (s. Fig. 8b). Unter dem Einfluß der Ladung der Elektroden drehen sich
die Moleküle wieder, so daß sie wie zuerst „polarisiert“ sind (s. Fig. 8c).
a I KCl KCl KCl KCl KCl
' I • o •o •o •o •o
b I K C1K C1K C1K C1K CI
I • o • o • o • o • o
c I K KCl KCl KC KCl CI
I • • o • o • o • o o
Fig. 8. Elektrizitätsleitung in Elektrolyten nach Grotthuss.
Nun setzt eine neue Elektrolyse ein, die das zweite Kaliumatom und das vor
letzte Chloratom in Freiheit setzt, und so fort. Dabei verschieben sich die
Ionen, das „Kation“ K nach der Kathode (dem negativen Pol), das „Anion“ CI
nach der Anode (dem positiven Pol), durch die Flüssigkeit. Diese Wanderung
der positiven und negativen Teile des Moleküls, die wir jetzt Ionen nennen,
geht bei verschiedenen Ionen nicht mit derselben Geschwindigkeit vor sich.
Dies wurde von Hittorf in seinen meisterhaften Arbeiten über die Wande
rung der Ionen gezeigt, die er um die Mitte des letzten Jahrhunderts aus
führte. Auf diese Untersuchung, die mit der Dissoziationstheorie der Elektro-
lyte eng zusammenhängt, werden wir später näher eingehen.
Um überflüssige Schwierigkeiten zu vermeiden, wollen wir hier die
Resultate dieser Theorie vorausnehmen. Danach sind die leitenden Mole
küle in ihre geladenen Ionen gespalten, die sich frei durcheinander in der
elektrolytischen Flüssigkeit bewegen. Wenn wir nun zwei Elektroden, die
etwa mit einem Akkumulator verbunden sind, in die Flüssigkeit tauchen,
so erhält sie an der positiven Elektrode ein höheres elektrisches Potential
als an der negativen. Alle positiv geladenen Körper, folglich auch die posi