Full text: Theorien der Chemie

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(Basen) und Salze beschränkt. Es wird indessen wohl eine schwierige Auf 
gabe sein, die Ausdehnung der elektrolytischen Leitfähigkeit festzustellen, 
und ich bin noch nicht imstande, eine positive Antwort darauf zu geben.“ 
Später scheint Helmholtz dem Gedanken zuzuneigen, daß alle che 
mischen Verbindungen Elektrolyte sind. „Wenn wir aus den Tatsachen 
schließen, daß jede Affinitäts-Einheit mit einem Äquivalent Elektrizität, 
entweder positiver oder negativer, geladen ist, so können elektrisch neutrale 
Verbindungen nur auf die Weise entstehen, daß jede positiv geladene Ein 
heit sich unter dem Einfluß einer mächtigen elektrischen Anziehung mit 
einer anderen Einheit, die negativ geladen ist, vereinigt. Sie sehen, daß 
so Verbindungen hervorgebracht werden müssen, in denen jede Affinitäts 
einheit jedes Atoms mit einer und nur einer Einheit eines anderen Atoms 
verbunden ist. Das ist, wie Sie sofort erkennen, die moderne chemische 
Theorie der Valenz, die alle gesättigten Verbindungen umfaßt. Die Tat 
sache, daß auch elementare Stoffe mit wenigen Ausnahmen Moleküle haben, 
die aus zwei Atomen zusammengesetzt sind, macht es wahrscheinlich, daß 
auch in diesen Fällen die Neutralisation durch die Vereinigung der beiden 
Atome zustande kommt, deren jedes mit seinem vollen elektrischen Äqui 
valent geladen ist, und nicht durch die Neutralisation jeder einzelnen 
Affinitätseinheit. 
Ungesättigte Verbindungen mit einer geraden Anzahl unverbundener 
Affinitätseinheiten bieten keinen Einwand gegen eine solche Hypothese; 
sie können mit gleichen Äquivalenten entgegengesetzter Elektrizität geladen 
sein. Ungesättigte Verbindungen mit nur einer unverbundenen Einheit, die 
nur bei hohen Temperaturen existieren, können erklärt werden als disso- 
ziert durch die heftige molekulare Bewegung der Wärme entgegen ihrer 
elektrischen Anziehung. Aber es bleibt ein einziges Beispiel einer Ver 
bindung, die nach dem Avogadröschen Gesetz selbst bei der niedrigsten 
Temperatur als ungesättigt angesehen werden muß, nämlich Stickoxyd (NO), 
ein Körper, der ganz ungewöhnliche Eigentümlichkeiten zeigt, und dessen 
Verhalten vielleicht zukünftige Forschungen aufklären werden.“ 
Diese Worte sind ein sehr klarer Ausdruck der Ansichten, die in 
jener Zeit unter den Chemikern herrschten. Helmholtz war mit che 
mischen Erscheinungen nicht vertraut genug, um eine Abänderung dieser 
Ansichten zu versuchen. Helmholtz hätte schon selbst einen zweiten Stoff 
anführen können, nämlich N0 2 , der auch aus den Valenzregeln herausfällt, 
wie sie damals angenommen waren. Aber später haben Bestimmungen der 
Gasdichte sowohl wie des Gefrierpunkts bewiesen, daß noch mehr Moleküle 
vorhanden sind, deren nach den Gesetzen von Avogadro und van’t Hoff 
bestimmte Zusammensetzung mit den Valenzregeln nicht besser überein
	        
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