Full text: Theorien der Chemie

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Der Fehler, den Berzelius beging, bestand in der Voraussetzung, 
daß die Kräfte, mit denen eine Valenz wirkt, nur von der Größe der 
elektrischen Ladung abbängen. Nach dem Gesetz von Faraday sind die 
Elektrizitätsmengen für jede Valenzeinheit immer gleich, aber die ver 
bindende Kraft kann trotzdem eine sehr ungleiche Stärke haben, je nach 
dem Abstand zwischen den elektrischen Ladungen. Die Arbeit, solch eine 
Verbindung zu zerlegen, wird doppelt so groß, wenn die Ladungen den 
halben Abstand haben, als wenn sie durch einen ganzen Abstand von ein 
ander getrennt sind. 
Wir haben oben gesehen, wie man die Arbeit zur Zerlegung einer 
Verbindung, in diesem Fall des Wassers, aus der elektromotorischen Kraft 
bei der Zersetzung berechnen kann. Dabei muß man genau darauf achten, 
daß der Prozeß reversibel ist, d. h., daß man dieselbe Arbeit wieder 
gewinnen kann, wenn der Prozeß in umgekehrter Richtung verläuft. Bei 
der Zersetzung von Wasser (mit Zusatz von Säure oder Alkali) zwischen 
Platinelektroden fand beispielsweise Leblanc 1 ), daß eine elektromotorische 
Kraft von etwa 1,67 Volt nötig war, also etwa anderthalbmal so viel wie 
oben für die Zersetzung zwischen Palladium-Elektroden angegeben ist. In 
der Tat ist die Zerlegung des Wassers zwischen Platin-Elektroden nicht 
reversibel. Aus Leblancs Untersuchung ging aber eine andere Tatsache 
hervor, die theoretisch sehr leicht zu verstehen ist, nämlich, daß die Arbeit 
zur Zersetzung des Wassers von der Natur der zugesetzten Säure oder 
Basis unabhängig ist. Dabei wird vorausgesetzt, daß wirklich Sauerstoff 
und Wasserstoff an den Elektroden abgeschieden werden, was beispielsweise 
nicht der Fall ist, wenn die zugesetzte Säure ein Halogenwasserstoff ist. 
Die Arbeit, welche zur Zerlegung einer chemischen Verbindung nötig 
ist, entspricht sehr nahe dem alten, weniger präzisen Begriff der Affinität. 
Mit Hilfe der Bestimmung von elektromotorischen Kräften können wir die 
Affinitäten messen, welche sich bei vielen chemischen Prozessen betätigen. 
So z. B. können wir die Affinität ermitteln, welche die Neutralisation einer 
Säure, z. B. HN0 3 , mit einer Basis, z. B. KOH, bewirkt. Wir setzen ein 
galvanisches Element zusammen, welches aus folgenden Einzelteilen besteht: 
PdH|OHK |N0 3 K|N0 3 H|HPd 
Leiten wir den Strom in der durch den Pfeil angedeuteten Richtung 
von dem mit Wasserstoff beladenen Palladiumblech durch die Lösungen 
der Kalilauge, des Salpeters und der Salpetersäure zum zweiten mit Wasser- i) 
i) Leblanc, Z. f. phys. Ch. 8, 299, 1891 und 12, 333, 1892.
	        
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