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bindung, das andere ans dem Rest der Verbindung besteht. So untersuchte
er z. B. folgende Körper, die man damals als molekulare Verbindungen
schrieb: KCN + AgCN, PtCl 4 -j-2NaCl, AuCl 3 4-KCl und zeigte, daß ihre
Ionen sind: K und Ag(CN) 2 , 2Na und PtCl 6 , K und AuC 1 4 . In diesen drei
Anionen sind also offenbar die negativen Ionen des in die Molekularver
bindung eingehenden Alkalisalzes mit den Molekülen der Edelmetallverbin
dung vereinigt, und folgerichtig kann man annehmen, daß dies auch in
den undissozierten Doppelsalzen der Fall ist. (Der Meinung, die damals
(1854) herrschte, lief es ganz zuwider, daß ein so milder chemischer Prozeß,
wie Auflösung in Wasser bei niedriger Temperatur, die Atome der in die
Doppelverbindung eingehenden Alkalisalze auseinanderreißen sollte). Zur
Erklärung der Zusammensetzung der komplexen Ionen reichte demnach
die Valenzlehre nicht aus.
7. Kapitel: Die Entwicklung der Valenzlehre.
So alt wie die Beobachtung ist, daß zwei verschiedene Stoffe sich
verbinden, d. h. unter gleichzeitigem Verlust ihrer auffallendsten physi
kalischen Eigenschaften zu einem einheitlichen neuen Stoff werden, so alt
ist auch die symbolische Darstellung der Verbindung durch Vereinigung
zweier Symbole. Die Zeichen der Metalle waren in alter Zeit mit den Planeten
zeichen identisch. Allmählich erkannte man, daß durch die Vereinigung
zweier Stoffe nicht nur eine, sondern auch häufig zwei oder mehr neue Ver
bindungen entstehen können. In einigen solchen Fällen wies Proust nach,
daß die verschiedenen Verbindungsprodukte sich durch die relativen Mengen
unterscheiden, in denen sie die Bestandteile enthalten, und daß jedes von
ihnen durch ein ganz bestimmtes Verhältnis der Gewichte der eingehenden
Komponenten charakterisiert ist. Eine solche unveränderliche Zusammen
setzung erkannte er als das Kennzeichen jeder definierten chemischen Ver
bindung (Prousts Gesetz der konstanten Proportionen). Dalton erweiterte
das Proustsche Gesetz durch die Entdeckung der multiplen Proportionen.
Zu ihrer Versinnlichung benutzte er Symbole, die unseren jetzigen chemischen
Formeln entsprechen; nur ähnelten seine Elementenzeichen noch den alten
alchimistischen Symbolen, während wir die jetzige, bequeme Buchstaben
bezeichnung Berzelius verdanken. Berzelius sah in Gay-Lussacs Ent
deckung der einfachen Raumverhältnisse, in denen die Gase sich verbinden,
einen weiteren Grund für die Formulierung der chemischen Verbindungen
nach Dalton. (Vgl. Kap. 2.)