Gasometrische. Methoden
Fünfter Abschnitt‘)
Diffusion der Gase
[267] Füllt man eine lange, unten verschlossene, vertical stehende
lasröhre vom Boden aus zur Hälfte mit unterchloriger Säure oder eine
anderen gefärbten Gase an, so ruht im oberen Theile des Rohrs auf dem
gefärbten Gase eine farblose Luftsäule. Pumpt man, ‚bevor eine Ver-
mischung erfolgt ist, einen Theil der Luft aus, so rückt die an der Farbe
erkennbare Grenzfläche beider Gase mit dem zunehmenden Grade der
erdünnung aufwärts, wobei sich der, durch seitlich an der Röhre an-
gebrachte Manometer messbare Druck in allen Schichten beider Gassäulen
auf gleiche Weise ändert. Wir können daraus schließen, dass Theilche
substantiell verschiedener Gase dieselben Druckwirkungen auf einander
ausüben, wie die Theilchen gleichartiger.
Neben diesen Druckwirkungen und ganz unabhängig von denselbe
ritt noch eine zweite Erscheinung, die [268] Gasdiffusion, auf. Sie äußert
sich darin, dass die Gase mit Geschwindigkeiten, die von ihrer chemische
Natur abhängen, sich gegenseitig von ihrer Berührungsfläche aus so lange
durchdringen, bis die Dichtigkeit jedes einzelnen Gemengtheils an jede
Punkte des Raumes, den sie erfüllen, dieselbe geworden ist. Trennt ma
ie beiden Gase durch eine poröse Scheidewand, z. B. durch ein Gyps-
diaphragma, dessen Poren einen solchen Reibungswiderstand darbieten
dass die Geschwindigkeit hindurchgepresster Gase selbst für erhebliche
Druckkräfte noch eine geringe bleibt, so zeigt sich, ‚dass auch solche
durch ein Diaphragma getrennte Gase mit erheblichen Geschwindigkeite
in einander überströmen. Wird der Druck über und unter dem Dia-
phragma stets gleich erhalten, so sieht man, dass die dasselbe in ent-
gegengesetzter Richtung durchströmenden Gasvolumina für gleiche Zeite
nicht gleich sind, dass also die Gase je nach ihrer substantiellen Natu
nit ungleichen Geschwindigkeiten solche Diaphragmen durchdringen.
ollte man es versuchen, die Diffusionsgeschwindigkeiten zweier Gase
zu ermitteln, während dieselben frei mit einander communiciren, so würde
man es nicht mit den von der Diffusion herrührenden Bewegungserschei-
ungen allein zu thun haben. Denn wenn sich Gase mit verschiedene
I) Die in diesem Abschnitte enthaltenen theoretischen Resultate sind einer unvoll-
endet gebliebenen, noch nicht publicirten Untersuchung entnommen, die Prof, Stegman
nd der Verfasser vor längerer Zeit gemeinschaftlich ausgeführt haben.
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