Vorwort zur russischen Originalausgabe.
Beim Studium der Chemie vergeht in der Regel eine geraume
Zeit, bis der Lernende in den Stand gesetzt ist, von der Be
kanntschaft mit einzelnen Thatsachen zum Verständniss allge
meiner Folgerungen, welche jene zu einem wohlgestalteten
Ganzen verbinden, Uberzugehen, und bis er sich davon über
zeugt, dass diese Folgerungen wirklich eine gesetzmässige
nothwendige Folge der Erkenntniss von Thatsachen sind. Es
kann jedoch allein ein genaues Verständniss, ein Durchdringen
der Verallgemeinerungen oder der sogenannten Theorien zu
einem wahrhaften Wissen führen; nur auf diesem Wege wer
den die durch zusammenhängende allgemeine Ideen verbunde
nen Thatsachen in ihrem natürlichen Zusammenhänge dem
Gedächtniss leicht eingeprägt und erscheinen als eigentliche
Glieder des wissenschaftlichen Systems. — Der Anfänger ist
im Beginn seines Studiums darauf angewiesen, die zum Ver
ständniss der Erscheinungen nothwendigen wichtigsten allge
meinen Begriffe anzuerkennen ohne von der Richtigkeit der
selben überzeugt zu sein; sobald jedoch ein gewisser Vorrath
von Thatsachen gesammelt ist, wird ein Jeder, dem eine nur
zur unmittelbaren Anwendung, zur Erreichung technischer
oder ähnlicher Zwecke brauchbare Kenntniss vereinzelter
chemischer Facta nicht genügt, Jeder, der tiefer in die Wissen
schaft eindringen will, das Bedürfniss fühlen, sich der allge
meinen Anschauungen bewusst zu werden, welche ihm den
weitern Weg erhellen können. Das Aneignen dieser An
schauungen ist ganz natürlich mit dem Studium der organi-