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Allgemeine Begriffe
den Einfluss eines Lebcnsproccsses bedingt. So kann der Zell
stoff — ein organischer Körper — in organisirter Form z. B.
in Form einer Pflanzenzelle oder als Aggregat vieler Zellen in
Form eines bestimmten Gewebes, einer Faser u. s. w. er
scheinen. Diese organisirte Form kann durch Auflösen zerstört
werden, und der durch Fällen aus der Lösung in formloser,
pulveriger Gestalt erhaltene Zellstoff ist chemisch unverändert,
er bleibt was er war: ein organischer Körper.
3. Wenn von der Mehrzahl der chemisch zusammenge
setzten Körper die Rede ist, so ist es leicht die beiden oben
angeführten Typen zu unterscheiden, aber eine natürliche scharfe
Grenze zwischen allen anorganischen und allen organischen
Stoffen zu ziehen ist unmöglich.
So gut wie aus mineralischen Substanzen auf chemischem
Wege eine Menge neuer Verbindungen, die in der Natur nicht Vor
kommen, gewonnen werden kann, so können andrerseits aus orga
nischen Körpern, die die Natur liefert, künstlich viele sogenannte
Derivate, erhalten werden Diese letzteren, obgleich sie nicht un
mittelbar in einem Organismus entstanden sind, zeigen doch
im Allgemeinen die characteristischen Eigenschaften organischer
Verbindungen.
Früher glaubte man, dass solche künstliche organische
Körper nur durch Umwandeln der natürlichen erhalten werden
könnten, — dass die Bildung anorganischer Verbindungen durch
die chemische Verwandtschaft allein bedingt sei, während die
organischen durch Mitwirkung einer besonderen Kraft, die nur
den lebenden Organismen zukomme, entständen. Man setzte
voraus, dass durch das Handhaben des Chemismus nur anor
ganische chemisch-zusammengesetzte Körper aus den Elementen
dargestellt werden könnten, dass die vollständige Synthese orga
nischer Körper unerreichbar sei. Thatsachen widerlegten diese
Ansicht: im Jahre 1828 erhielt Wühler künstlich, aus den Ele
menten, den Harnstoff — ein Excret des thierischen Organismus.
Jetzt, nach den glänzenden Entdeckungen Berthelo t’s, Kolbe’s
und anderer Chemiker, besitzt die Wissenschaft Mittel zur
synthetischen Darstellung vieler Körper, die stets zu den orga
nischen gerechnet wurden: Weingeist, Essig, Zucker u. a. können
aus ihren Elementen erhalten werden. Diese Thatsachen reichen
hin, um für die Möglichkeit einer synthetischen Gewinnung aller
organischen Körper bürgen zu können, und es unterliegt keinem