386 II. Verbindungen des Kohlenstoffs mit bivalenten Elementen.
Beim Oxydiren können aus der WeinsteinsUure entweder
Kohlensäure, Ameisensäure oder Tartronsäure entstehen:
C 4 H g 0 6 + O2 — C3H4O5 + CO2 + H2O.
Bei Einwirkung von Jodwasserstoff* auf rechte Weinstein
säure entsteht Bernsteinsäure, indem die Alkoholwasserreste
durch Wasserstoff substituirt werden; eben derselben Substi
tution unterliegt einer dieser Wasserreste bei Einwirkung von
Bromwasserstoff*, während an die Stelle des anderen Brom tritt
und sich somit Monobrombernsteinsäure bildet (Kekule).
Mit Alkalien giebt die Weinsteinsäure saure und neutrale
Salze. Einige von ihnen und namentlich Brechweinstcin — ein
Doppelsalz der Weinsteinsäure von Kalium und der als Stibyl
bezeichneten Gruppe (Sb'"0)" — besitzen die Fähigkeit, beim
Erwärmen Wasser zu verlieren und bei Einwirkung von Wasser
wieder in den früheren Zustand zurückzukehren. Das sich
ausscheidende Wasser bildet sich hier wahrscheinlich auf Kosten
der Alkoholwasserreste. Bei Einwirkung von Chloracetyl kann
in der Weinsteinsäure der Wasserstoff dieser Reste durch Acetyl
substituirt werden (Wislicenus, vgl. § 178).
Linke Weinsteinsäure, die der rechten sehr ähnlich ist,
unterscheidet sich von dieser durch das Auftreten linker hemie-
drischer Flächen an den Krystallen, sowie überhaupt durch ihr
Verhalten gegen optisch-wirksame Körper (vgl. $ 101). Mit dem
optisch-wirksamen Alkaloid Cinchonicin giebt die linke Säure
ein schwerer lösliches Salz als die rechte, und von den wein
steinsauren Salzen eines ähnlichen Alkaloids, des Chinicins, ist
hingegen das Salz der rechten Varietät schwerer löslich als
das der linken. Ausserdem verändert sich die linke Säure
schwieriger als die rechte, wenn sie sich in einer Flüssigkeit
befindet, in der sich niedere Pflanzenorganismen entwickeln
(Gälirung, s. §§ 101 und 155). — Dieses Verhalten macht es
möglich (Pasteur), durch Zersetzung der Trauben säure linke
Weinsteinsäure zu erhalten, indem man die rechte durch Gäh-
rung zerstört, oder indem man Traubensäure mit Cinchonicin
oder Chinicin sättigt, wobei ein Gemenge von Salzen beider
Varietäten entsteht. Auch gelingt es, beide Varietäten von ein
ander zu trennen, wenn man aus Traubensäure das Natrium-
Aminonium-Doppelsalz bereitet. Wird in dessen Lösung ein
Krystall des entsprechenden rechtsweinsauren Salzes gebracht,