59S III. Verbindung, d. Kohlenstoffs mit tri- (u. penta-) valentem Stickstoff.
Eine andere Eigentümlichkeit des Cyans und seiner Ver
bindungen, der zufolge diese letzteren öfters zu Körpern von
sehr complicirter Zusammensetzung und Natur werden, besteht
in der Existenz von polymeren Gruppen (CnNn), deren Atomig
keit == n, d. h. gleich ist der Anzahl Cyanatome, aus denen
die Gruppe entstand. Dieser Fähigkeit schliesst sich noch
eine andere so eben erwähnte an, nämlich die Bildung solcher
complieirterer Metallcyanüre, in denen ein Theil des Metalls
sich in einem von dem Zustande des anderen Theils ganz und
gar verschiedenen Zustande befindet (s. unten).
Cyan und seine Verbindungen mit einatomigen Elementen.
27L Cyanverbindungen, oder richtiger, das in Verbindungen
enthaltene Cyan entsteht nicht nur aus mehr oder weniger
complicirten stickstoffhaltigen organischen Verbindungen, son
dern kann sich auch unter geeigneten Bedingungen durch
Vereinigung von Kohlenstoff und Stickstoff bilden. Lässt man
Stickstoff oder atmosphärische Luft über ein glühendes
Gemenge von Kohle mit Kalium, Aetzkali, kohlensaurem
Kalium oder Baryt streichen, so erhält man Cyankalium
oder Cyanbarium. Kohlenstofffreie Stickstoffverbindungeu kön
nen, wenn sie auf stickstofffreie Kohlenstoffverbindungen ein
wirken, ebenfalls Cyan bilden; Cyankalium bildet sich z. B.
beim Explodiren eines Gemenges von Salpeter mit Salzen
einiger organischer Säuren, beim Durchstreichen von Ammoniak
durch ein glühendes Gemenge von kohlensaurem Kalium mit
Kohle, oder beim Erwärmen von Salmiak mit demselben Ge
menge, sowie auch beim Glühen von Stickstoffbor mit kohlen
saurein Kalium. Ferner bildet sich Cyanammonium, wenn Am
moniak über glühende Kohlen, oder ein Gemisch von Ammoniak
und Kohlenoxyd durch glühenden Platinschwamm streicht.
Die Gruppe CN kann auch bei Einwirkung von Salpetersäure
auf verschiedene organische Körper entstehen. Ueberhaupt
Stoffatome, als (CV'N 7 ")', betrachtet werden kann (Kolbe). Nimmt man diese
Hypothese an, so muss das, was oben in Betreff des Cyangehaltes der orga
nischen Molecüle gesagt wurde, folgendermassen abgeändert werden: sobald
in einem Molecül ein Kohlenstoffatom mit nicht weniger als zwei Affini
tätseinheiten an ein Stickstoffatom direct gebunden erscheint, ist das Mo
lecül cyanhaltig. (Anmerk. d. Verf. z. deutsch. Uebers.)