Full text: Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie

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Mercurichlorid und Mercuricyanid 
Man versetze eine Probe Mercurichloridlösung mit frisch ohne 
Erwärmen bereiteter Natriumhydrocarbonatlösung: es entsteht 
kein Niederschlag, vorausgesetzt, daß die Natriumhydrocarbonatlösung 
frei von neutralem Natriumcarbonat war. 
Eine zweite Probe werde mit Harnstofflösung versetzt; es entsteht 
ebenfalls kein Niederschlag. 
Eine Probe festes Mercurichlorid werde mit etwas konzentrierter 
Schwefelsäure in einem Probierglase erhitzt: es entweicht kein Chlor 
wasserstoff. Beim Sieden der Schwefelsäure destilliert mit ihren Dämpfen 
unzersetztes Mercurichlorid hoch und verdichtet sich in den kälteren 
Teilen des Probierglases zu Kristallnadeln. 
Diese drei Versuche zeigen, daß das Mercurichlorid weniger reaktions 
fähig ist als das Nitrat, was nach dem oben Gesagten verständlich ist. 
Für die qualitative Analyse ist zu wissen wichtig, daß der beim 
Chrom beschriebene Versuch der Darstellung von Chromylchlorid ver 
sagt, wenn als Chlorid Mercurichlorid genommen wird. 
Die gleichen Resultate erhält man, wenn man die Versuche mit einer 
Mercurinitratlösung anstellt, die mit Natriumchloridlösung versetzt ist. Nach dem 
Satze, daß sich in der Lösung immer die am wenigsten dissoziierte Verbindung 
bildet, setzen sich die Salze zu Mercurichlorid und Natrium nitrat um. Hierin 
liegt der Grund, weshalb bei der Liebigschen Harnstoffbestimmung im Harne 
nur reine Mercurinitratlösung und ein von Chloriden befreiter Harn verwendet 
werden darf. 
Zu einer Probe Mercuricyanidlösung setze man etwas Natrium 
hydroxydlösung: es fällt nichts aus; ebensowenig, wenn etwas Kalium 
jodidlösung hinzugesetzt wird. Erst auf Ammonium sulfidzusatz tritt. 
Fällung von Mercuri sulfid ein. 
Eine Probe Mercurioxyd werde mit etwas frisch bereiteter Kalium- 
cyanidlösung übergossen; sie löst sich zu Mercuricyanid auf — eine 
der wenigen Umsetzungen, bei denen in Gegenwart von Wasser, ohne 
daß sich ein Niederschlag absondert, Kaliumhydroxyd frei wird. 
HgO + 2 KCN + H 2 0 = Hg(CN ) 2 + 2 KOH 
Eine dem Mercurichlorid und Mercuricyanid ähnliche, wenn auch 
nicht so starke Anomalie zeigen die Halogensalze des Cadmiums und in 
noch geringerem Grade die des Zinks. So läßt sich aus einer Cadmium 
jodidlösung das Cadmium nur schwierig und unvollständig durch Schwefel 
wasserstoff ausfallen. Bei Molekelgewichtsbestimmungen erhält man 
beinahe die für die nicht gespaltenen Verbindungen berechneten Werte. 
Noch weiter werden die Verhältnisse dadurch kompliziert., daß sich an die 
in wäßriger Lösung vorhandenen Ionen des Salzes andere nicht ionisierte 
Molekeln desselben Salzes unter Bildung komplexer Ionen anlagern: ,,Auto 
komplexbildung“. Damit steht im Einklänge, daß auch das feste Cadmium- 
sulfat aus komplizierteren Molekeln besteht, wie der Kristallwassergehalt lehrt; 
es gibt ein kristallisiertes Cadminmsulfat von der Formel 3CdS0 4 -f 5H s O und 
ein zweites von der Formel 3CdS0 4 -j- 8H,0.
	        
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