Full text: Experimentelle Einführung in die unorganische Chemie

Theorie der wäßrigen Lösungen 
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Lösungen. Verschwinden die färbenden Ionen, so tritt Entfärbung ein, z. B. 
bei der Reduktion von Cuprisalz zu Cuprosalz. 
Umsetzung in wüßriger Lösung: Die chemischen Umsetzungen 
der Lösungen sind im allgemeinen Umsetzungen der Ionen. In 
wäßriger Lösung reagieren demnach alle die Stoffe gleich, die ein gleiches 
Ion besitzen. So wird das Barium aller Bariumsalzlösungen mit Schwefelsäure 
gefällt; alle Lösungen, die Chlor als Ion enthalten, geben mit Silbernitrat in 
angesäuerter Lösung einen Niederschlag von Silberchlorid. Dagegen fällt Silber 
nitrat aus einer Lösung von Kaliumchlorat KC10 3 kein Silberchlorid, weil in 
einer Kaliumchloratlösung keine Chlor ionen, sondern die Chlorsäureionen CIO/ 
enthalten sind. Silbernitrat ist also kein Reagens auf Chlor schlechthin, sondern 
nur ein Reagens auf Chlor ionen. Hierin, liegt im wesentlichen die Erklärung 
der sogenannten anomalen Reaktionen der unorganischen Chemie. 
Eine wichtige Frage ist die: welche Ionen mehrerer Elektrolyte vereinigen 
sich beim Mischen ihrer Lösungen zu ungespaltenen Molekeln, und welche Ionen 
bleiben? oder in anderen Worten: welche der möglichen Umsetzungen geht vor 
sich ? Die Antwort ruht in dem Satze, daß stets die möglichst wenig 
dissoziierten Stoffe sich zu bilden bestrebt sind. So bildet sich sofort 
beim Mischen von Säure- und Bäselösung Wasser aus den Wasserstoff- und 
Hydroxylionen, weil Wasser von allen Stoffen, die entstehen könnten, am 
wenigsten dissoziiert ist. Beim Zusatze von Chlorwasserstoffsäure zu Natrium 
acetatlösung bleiben wesentlich Natrium- und Chlorionen in der Lösung, während 
die Essigsäure anionen mit Wasserstoff ionen der Chlorwasserstoffsäure zu nicht 
dissoziierter Essigsäure zusammentreten usw. Dieser Satz gilt aber nur 
für den Fall, daß sich weder ein Gas noch ein Niederschlag aus 
der Lösung ausscheidet; wenn das der Fall ist, so liegen die Verhältnisse, 
wie wir gleich sehen werden, verwickelter. 
Änderungen des Dissoziationsgrades: Der Dissoziationsgrad eines 
Elektrolyten ist nicht konstant, sondern er ist von den äußeren Verhältnissen 
abhängig. Je verdünnter eine Lösung ist, desto weiter geht die 
Dissoziation; je konzentrierter sie ist, desto geringer ist der 
Dissoziationsgrad. Hiervon kann man sich leicht durch folgenden Versuch 
überzeugen, zu dem ein Salz, das im dissoziierten Zustande eine andere Farbe 
besitzt als im nicht dissoziierten Zustande, verwendet werden soll. Man stelle 
ein wenig einer konzentrierten Lösung von Cuprichlorid her. Da die Cupri ionen 
blau, die Cuprichloridmolekeln aber gelbbraun färben, da ferner in einer kon 
zentrierten Cuprichloridlösung das Salz nur zum Teile dissoziiert ist, so wird 
die Lösung eine Mischfarbe von blau und gelb, also grün besitzen. Wird diese 
Lösung nun allmählich mit Wasser verdünnt, so wird sie blaustichiger; bei 
starker Verdünnung geht der Farbton in ein reines Blau über — entsprechend 
einer vollständigen Dissoziation des gelösten Cuprichlorids. Noch auffälliger ist 
der Farbumschlag bei Verwendung des schwarzbraunen Cupri bromids. 
Etwas weniger deutlich zeigt sich das gleiche bei einer Kobaltochloridlösung, 
die sehr konzentriert — namentlich in der Wärme — blaurot, verdünnt aber gelb 
stichig rot erscheint. 
Der Dissoziationsgrad eines schwachen Elektrolyten sinkt, 
wenn in der Lösung die eine der Ionenarten künstlich vermehrt 
wird, z. B. dadurch, daß man zu einer Salzlösung etwas freie Säure oder Base 
des Salzes hinzufügt. Recht augenfällig ist dieser Einfluß bei der eben be 
nutzten Cuprichloridlösung; wird nämlich zu der grünen, konzentrierten Cupri 
chloridlösung etwas konzentrierte Chlorwasserstoffsäure gesetzt, so wird das 
Grün gelbstichiger und geht bei starkem Chlorwasserstoffzusatze in ein reines 
Gelbbraun über; denn es ist durch den Zusatz von Chlorwasserstoff die Kon
	        
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