54
Theorie des Auflösens und Fällens
Nach dem oben Gesagten ist die Löslichkeit eines Stoffes bei gleicher
Temperatur konstant; also ist auch c konstant. Da K ebenfalls konstant ist,
muß auch die linke Seite der Gleichung, d. h. das Produkt o • b konstant sein.
I Das besagt: in einer gesättigten Lösung eines ionisierbaren Stoffes
ist das Produkt der Ionenkonzentrationen konstant. Man nennt
dieses Produkt das „Löslichkeitsprodukt“. Eine Lösung ist für einen
Elektrolyten gesättigt, wenn in ihr so viel Ionen des zu lösenden Stoffes vor
handen sind, daß das Produkt dieser Ionenkonzentrationen gleich dem Löslich
keitsprodukte ist; sie ist ungesättigt, wenn das Löslichkeitsprodukt durch das
Produkt der Ionenkonzentrationen nicht erreicht wird; sie ist übersättigt, wenn
es dadurch überschritten ist.
Wenn eine Ionenart im Überschüsse vorhanden ist, so wird das Löslich
keitsprodukt schon erreicht, wenn von der anderen Ionenart eine geringere
Masse vorhanden ist; wesentlich ist nur das Produkt beider Konzentrationen.
So erklärt sich der Erfahrungssatz, daß ein Elektrolyt in einer Lösung, die
eines seiner Ionen schon enthält, weniger löslich ist als in reinem Wasser:
Bariumsulfat ist in einer SO/' enthaltenden Lösung und ebenso in einer Ba“
enthaltenden Lösung weniger löslich, als in reinem Wasser oder in sonstigen
Lösungen, die weder Ba” noch SO/' enthalten. Daraus ergibt sich der durch
die Erfahrung längst festgestellte Satz, daß man bei Fällungen einen kleinen
Überschuß des Fällungsmittels anzuwenden habe. Ausführlicher und an einem
Beispiele durchgerechnet findet sich diese Lehre in W. Ostwalds Grundlinien
des anorganischen Chemie beim Abschnitte Kaliumion (I. Auflage Seite 447 bis 451).
Man stelle folgenden Versuch an, der die Herabsetzung der Lös
lichkeit von Kaliumchlorat auf Zusatz gleichioniger Stoffe zeigt:
Man bereite eine bei Zimmertemperatur gesättigte Kaliumchlorat
lösung, indem man eine Probe Kaliumchlorat 1 in heißem Wasser löst
und die Lösung unter Umschwenken unter dem Strahle der Wasserleitung
auf etwa Zimmertemperatur abkühlen läßt, wobei ein Teil des gelösten
Kaliumchlorats auskristallisieren muß. Nach einer Stunde filtriert
man ab und versetzt vier Proben der Lösung je mit einigen Tropfen
einer der Lösungen von Kaliumchlorid, Kaliumnitrat, Natriumchlorat,
Natriumchlorid. Die ersten drei Gemische trüben sich in etwa einer
Minute, schneller beim Umschütteln und lassen Kaliumchlorat aus
kristallisieren. Die vierte Probe, zu der kein gleichioniger Zusatz (NaCl)
gekommen ist, bleibt klar.
Fällungen: Die Theorie der Fällungen ergibt sich aus dem eben Dar
gelegten: eine Fällung erfolgt, wenn in einer Lösung Ionen in so großer
Konzentration vorhanden sind, daß das Produkt ihrer Konzentrationen (das
„Konzentrationsprodukt“) größer ist als das Löslichkeitsprodukt eines Stoffes,
der sich aus ihnen bilden kann. Es erfolgt — event. nach einem Stadium
der Übersättigung —- die Ausscheidung eines Niederschlages. Als Beispiel seien
die Fällungen von Manganosulfid, von Zinksulfid und von Cuprisulfid behandelt:
Mangan bildet ein Sulfid MnS, das in Wasser sehr wenig löslich ist;
immerhin geht etwas in Lösung und zerfällt, da die Lösung sehr verdünnt ist,
fast völlig in die Ionen Mn” und S"; das Produkt der Konzentrationen dieser
Ionen in gesättigter Lösung ist das Löslichkeitsprodukt des Manganosulfids.
Wenn nun in eine Manganosalzlösung Schwefelwasserstoff geleitet wird, der als
sehr schwache Säure außerordentlich wenig dissoziiert ist, so reicht die sehr ge
ringe Konzentration der S"-Ionen nicht aus, mit der Konzentration der reichlich
vorhandenen Manganoionen Mn” ein Konzentrationsprodukt zu geben, das