234
— Einfluss und Bestimmung von Parallaxe und Refraktion. — 439
Zu 4.19: a. Wie Posidonius bald nach der Zeit von Hipparch dazu kam,
anzunehmen, es betrage die Distanz des Mondes 52V 8 , diejenige der Sonne
aber 13095 Erdradien, weiss man absolut nicht und kann somit auch nicht
entscheiden, ob die entsprechenden Parallaxen 65',9 und 15“,6, von welchen
erstere gegenüber Hipparch einen erheblichen Rückschritt, die zweite dagegen
einen enormen Fortschritt konstatieren würde, als wirkliche Messungsresultate
angesehen werden dürfen. So weit man jedoch die damaligen Instrumente und
Verfahren kennt, muss man letzteres wenigstens in Beziehung auf die Sonnen
parallaxe entschieden bezAveifeln und geht kaum irre, wenn man sie als Er
gebnisse einer blossen Spekulation betrachtet und mit Ptolemäus ignoriert.
Und wenn wir in der etwa aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammenden
Kosmographie des Syriers Dimashqui (1254? — 1327) Zahlen finden, welche mit
(^ = 16‘/ 6 ' und 0 = 9“,9 übereinstimmen, so haben Avir es noch augenschein
licher mit illusorischen Bestimmungen zu tliun, zumal auch da Avieder die
leichter zu ermittelnde Grösse fehlerhafter geAvorden ist. — b. Ptolemäus ver
suchte namentlich die Mondparallaxe aus ihrem Einflüsse auf die Sonnen
finsternisse und auf die Zenitdistanzen genauer zu bestimmen, — hatte jedoch
wegen Mangel zureichender Beobachtungsmittel nicht den gewünschten Er
folg. — c. Johannes Rudrauff genannt Remus (Herda in Thüringen 1588? —
Ruffach im Eisass 1632?) lebte längere Zeit als Leibarzt und Mathematicus
des Kaisers Matthias in Wien, wurde auch auf einer Reise nach Italien mit
Galilei persönlich bekannt. — d. Kepler kam beim Studium der Beobachtungen
Tychos zur Überzeugung, dass die Parallaxe des Mars selbst bei dessen Oppo
sition für die damaligen Beobachtungsmittel unmerklich sei, dass also dies für
die Sonne noch in vermehrtem Masse der Fall sein müsse, und die Sonnen
parallaxe somit jedenfalls nicht mehr als 1' betragen könne, — und Remus
Avurde (vgl. seinen 1628 aus Ruffach geschriebenen Brief in Epist. Kepl.) durch
ähnliche Betrachtungen veranlasst, die Sonnenparallaxe sogar mindestens auf
17“ herunterzusetzen oder die Distanz der Sonne Avenigstens auf 12300 Erd
radien zu erhöhen. Letzteres kam dann allerdings Kepler etwas zu stark vor
und er schrieb (vgl. „Franz Dvorsky, Neues über Kepler. Prag 1880 in 8.“),
bei Übersendung eines von Remus angefertigten Prognostikons, 1629 II 24
aus Sagan an Albrecht v. Waldstein: „Hipparchus hat die Sonne 1200 Erd
boden hoch in Himmel hinauff gesetzt. Ich habe 3400 Erdboden hoch daraus
gemacht. Remus aber setzt noch 10000 Erdboden darzue, das Ihrer 14000
werden. Das muss ich nun leiden und den Nachkommen das Urtheil überlassen,
Avelcher es besser gemachet“. — e. Gottfried Wendelin (Herken bei Lüttich
1580 — Renaix 1667) war erst Korrektor in Lyon, dann Advokat in Paris,
Pfarrer in den Niederlanden, und zuletzt Canonicus in Renaix. — f. Wendelm
machte seine Beobachtungen 1650 unter Anwendung des Fernrohrs Avährend
einem Aufenthalte auf Majorka. -- Den 14“ entsprechen die Werte D = 14733 • r'
und R = 64V 4 -r', deren ersterer zu Gunsten von Remus entscheidet.
440. Die Parallaxenbestiinmung aus zwei Ständen. —
Ein grösserer Fortschritt in der Parallaxenbestimmung wurde aller
dings erst erzielt, als vor etwas mehr als zwei Jahrhunderten den
Methoden von Aristarch und Hipparch, welche wir als Bestimmungen
aus Einem Stande zusammenfassen können, solche aus Zwei Ständen
substituiert wurden, d. h. als man anfing, nach Analogie der in der