2Q — Die Theorie der Instrumente. — 330
eine selbständige Erfindung von Tycho oder auch ihm zugebracht waren, muss
dahingestellt bleiben; dagegen mag noch angeführt werden, dass Tycho, wenig
stens bei einzelnen seiner grossen Quadranten, im Centrum als Objektivdiopter
ein Cyliiulerchen aufstellen liess, das bei Nacht beleuchtet wurde, während die
am Limbus spielenden, von zwei verschiedenen Beobachtern zu bedienenden
Okulardiopter je zwei Spalten erhielten, welche um den Durchmesser des
Cylinderchens von einander abstanden, — dass Bürgi dagegen, der nur Einen
Beobachter voraussetzte, das Okulardiopter am Centrum beliess, — dass ferner
häufig die beiden Diopter so konstruiert waren, dass das eine oben als Okular
und unten als Objektiv, das andere unten als Okular und oben als Objektiv
dienen konnte, so dass sie ein sog. Amphidiopter (von «/*<?£? = auf beiden
Seiten, d. h. vor- und rückwärts zu gebrauchen) bildeten, — und dass endlich
Brander (vgl. Verz. 300) solche Doppeldiopter verfertigte, bei -welchen die
Okulare durch Bohrungen, die Objektive dagegen durch Glasscheibchen mit
eingeritzten Kreuzlinien dargestellt waren. — ft. Bürgi konstruierte (vgl. Mit-
th. 45 von 1878) zu gewissen Zwecken, so z. B. um ä la Hipparch scheinbare
Durchmesser bestimmen zu können ohne das Objektiv verschieben zu müssen,
Diopter, bei welchen die Weite der Spalte messbar verändert werden konnte.
Anhangsweise füge ich bei, dass auf der Scheibe von Herons Dioptra zwei
kleine Zäpfchen angebracht waren, bis zu welchen successive der Stab gedreht
werden musste, um einen rechten Winkel zu erhalten, und somit sein Instrument
bereits die nachmals von den Geometern des Abendlandes vielgebrauchte, so
z. B. von Johannes Ardüser (Lenz 1584 — Zürich 1G65; Ingenieur Zürich; vgl.
Biogr. IV) in seinen „Geometrise theoric® et practicae XII Bücher. Zürich
1027 im 4. (2. A. in 14 B. 1G46) U einlässlich behandelte Kreuzscheibe (Winkel-
krenz, Equerre d’arpenteur), vertrat. Da ferner jene Scheibe, wie aus „Cantor,
Die römischen Agrimensoren. Leipzig 1875 in 8. (pag. 20) u hervorgeht, mit
einer kleinen Kanalwage horizontal gestellt werden konnte, auch der Stab
. auf und mit der Scheibe, also in vertikalem und horizontalem Sinne, drehbar
war, so fehlte so ziemlich nur noch eine Kreisteilung, um die Dioptra als
Vorläufer des Azimutalquadranten (349) betrachten zu können.
331. Das Fernrohr mit Fadenkreuz. — Nach Erstellung
des Fernrohrs lag der Gedanke nahe, dasselbe auch an Instrumenten
als Visiermittel anzubringen"; aber in erfolgreicher Weise geschah
dies erst, als Will. Gascoigne etwa 1640 darauf verfiel, den Um
stand zu benutzen, dass man in einem astronomischen Fernrohr
neben dem reellen Bilde eines äussern Objektes auch jeden in die
Bildebene gebrachten Gegenstand, wie etwa einen über letztere ge
spannten Faden, sehen, also die Linea fiducim der Alten z. B. durch
die Verbindungslinie des optischen Mittelpunktes der Objektivlinse
mit dem Schnitte zweier solchen Faden, dem sog. Fadenkreuze, er
setzen kann b . Dieses Procedere wurde jedoch anfänglich von andern
kaum beachtet 0 , und so kam es, dass Adrien Auzoilt d und Jean
Picard dasselbe etwa 1667 nochmals erfinden und nunmehr definitiv
in die Astronomie einführen konnten e . Da schon diese letztgenannten
den schädlichen Einfluss der sog. Fadenparallaxe bemerkten und
auch eine allfällige Kollimation in Betracht zogen /, so blieb es der