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SYMPOSIUM PHOTO INTERPRETATION, DELFT 1962
dischen Gründen einmal bestimmte Elemente in der Stadt so isoliert betrach
ten; sein grösseres Interesse gilt dem Zusammenwirken der Elemente.
Die Methoden zur Erforschung des Stadtkomplexes sind zahlreich. Ob man
historische, statistische oder soziologische Methoden anwendet, immer droht
die Gefahr, dass nur bestimmte Aspekte des ganzen Phänomens erkannt wer
den. In der Geographie bedient man sich gern der physiognomischen Methode,
der Beobachtung am Ort. Der erfahrene Beobachter hat den grössten Nutzen
bei seiner Untersuchung durch die eingehende Ortsbesichtigung. Hier ergibt
sich die den Arbeitsgang bestimmende Vorstellung, hier entstehen die Fragen,
zu deren Beantwortung die oben genannten Methoden herangezogen werden.
Der Geograph kann auf die Geländearbeit nicht verzichten; aber auch der
Luftbildinterpret darf das nicht. Und doch gibt es Unterschiede. Für die stadt
geographische Arbeit kann das Luftbild nicht allein wichtigste Arbeitsunterlage
sein, die etwa nur durch stichprobenweise Erhebung am Boden zu ergänzen
wäre. Denn die Beobachtung des Menschen und seiner Gesellschaft, deren
Wirkungs- und Lebensstätte die Stadt ist, kann aus dem gesamten Arbeits
gang nicht ausgeschlossen werden. Ohne den ständigen Fluss des Lebens im
Fortgang des Tages erscheint die Stadt nahezu wie ein toter Körper. Hierin
liegen die wesentlichen Gründe, warum vom Stadtgeographen das Luftbild
bisher so wenig als Arbeitsmittel angewandt wurde.
Das Luftbild kann jedoch dem Stadtgeographen zu einem wesentlichen
Hilfsmittel werden. So gross die Fülle der Methoden ist, so klein ist dagegen
die Zahl der Anschauungsmittel. Photographien aus der Erdsicht geben eng
begrenzte Aspekte, topographische Karten bieten nur Abstraktionen der Wirk
lichkeit und thematische Karten müssen ihren Inhalt begrenzen. Das Luftbild
bleibt die beste Ergänzung einer erklärenden Beschreibung der Stadt. Ebenso
hoch zu veranschlagen ist der Wert des Luftbildes auch für jede Vorunter
suchung, da die Luftaufnahme bei vollem Überblick und Einblick schon in
recht vollkommener Weise mit den meisten Einzelheiten der zu untersuchenden
Stadt bekannt macht. Daher gelangt man mit solcher Hilfe schon in der Vor
untersuchung zu einem Punkt, wo die Elemente des Gegenstandes in Umrissen
bereits bekannt sind und sich gleichzeitig die entscheidenden Fragen des Zu
sammenhanges auftun.
Die Benutzung des gegenüber dem Kartenbild wirklichkeitsgetreueren Luft
bildes wirkt sich insofern besonders günstig aus, als alle Elemente des zu unter
suchenden Gefüges in ihren wahren Grössenrelationen erscheinen. Der wesent
lich von Strassen und Bahnen gezeichnete Grundriss wird nun dank der starken
Differenzierung sofort mit dem Baugefüge zusammengelesen. Besitz- und Par
zellengrenzen zeichnen sich aufs deutlichste ab. Insgesamt lassen sich daraus
schon die Nahtstellen erkennen, an denen das Siedlungswachstum Unter
brechungen erfahren hat.
Die Erdbeobachtung zielt vorwiegend auf den Aufriss der Strassen, Plätze
und Silhouetten. Das aber sind vielfach Fassaden, von deren zugehörigen Bau
körpern keine Vorstellung entstehen kann. Das äussere Gewand mag barocki-
siert worden sein, das Gefüge der Hauseinheiten ist jedoch noch das spätmittel