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Gradmessungen (Altertum,
Mittelalter und Renaissance).
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daß der Meridianbogen zwischen beiden
Orten Vso des Erdumfangs, also letzterer
selbst 250,000 Stadien, betrage. Trotzdem,
daß die Meridiane beider Orte nicht zu
sammenfallen, sondern um fast 3 Längen
grade differieren, daß der Breitenunter
schied nur 7° 7' beträgt und die Entfer
nung von 5000 Stadien nur nach der
Zeit geschätzt ist, welche zur Zurücklegung
des Wegs gebraucht wird, ist doch das Re
sultat ziemlich richtig. Denn da 40 Sta
dien auf eine geographische Meile gehen,
so erhält man 6250 geogr. Meilen für den
Erdumfang, was noch nicht um % größer
ist als der richtige Wert von 5400 Meilen.
Außerdem kennen wir noch eine solche
Bestimmung aus dem Altertum, die des
Posidonius, eines Zeitgenossen des
Pompejus. Derselbe bemerkte, daß der
Stern Canopus zur Zeit seiner Kulmi
nation in Alerandria um %8 des Kreises
über dem Horizont stehe, auf Rhodus aber
nur eben noch am Horizont sichtbar sei;
da er nun für die Entfernung beider
5000 Stadien annahm, so erhielt er für
den Erdumfang den Wert von 48-5000
— 240,000 Stadien oder 6000 geogr.
Meilen. Als er später erfuhr, daß jene
Entfernung von den Schiffern auf nur
4000 Stadien angegeben werde und von
Eratosthenes zu 3750 Stadien gemessen
worden sei, so setzte er für den Erdumfang
48 - 3750 — 180,000 Stadien oder 4500
Meilen, V« weniger als den wahren Wert.
Daher stammt die Angabe von 500 Stadien
für die Länge eines Grades auf einem größ
ten Kreis der Erde, die Ptolemäos macht.
Die nächste Gradmessung, von der wir
Kunde haben, wurde 827 auf Befehl des
Kalifen Al Mamun in der Ebene von
Tadmor ausgeführt. Von einem Punkt
aus ging ein Teil der ausführenden
Astronomen nach N., der andre nach S.,
bis sie einen Grad an geographischer
Breite gewonnen, beziehentlich verloren
hatten, und maßen den zurückgelegten Weg
mit Stäben. Diese Messungen wurden
nachher auf der Ebene von Sindschar,
nördlich vom Euphrat, wiederholt. Als
Resultat ergaben sich 56% arabische Mei
len für den Meridiangrad. Leider haben
wir von der Größe der arabischen Meile
keine ganz bestimmte Kenntnis, und die
Annahme, daß dieselbe 1042,2 Toisen und
also der Meridiangrad jener Messung zu
folge 59,058 Toisen habe, ist nicht sonder
lich zuverlässig.
3) Im christlichen Abendland wurde
erst nach dem Wiederaufblühen der Wis
senschaften eine Gradmessung unternom
men. Der französische Arzt Jean Fer
ne! (1497 —1558) bestimmte nämlich,
wie er in seinem 1528 veröffentlichten
Werk »Cosmotheoria« berichtet, einen
Meridiangrad zwischen Paris und Amiens,
indem er 25. Aug. 1525 auf der nahezu
geradlinig beide Städte verbindenden
Landstraße die Strecke von 1° durchfuhr
und die Umdrehung der Räder seines
Wagens zählte. Nach Abrechnung eines
gewissen Betrags für Unebenheiten^ und
Krümmungen des Wegs erhielt er 17,024
Umdrehungen zu 20 Fuß oder 56,747 da
malige Toisen, was nach Lalande 57,070
spätern Toisen gleichkommt. Da die Toise
— 6 Pariser Fuß = 1,949 m das klas
sische Maß für G. geworden, so wollen
wir uns in diesem Artikel immer dersel
ben bedienen. Den Breitenunterschied be
stimmte Fernel durch Beobachtung der Kul
minationshöhen der Sonne, wozu er ein
rechtwinkeliges, gleichschenkeliges Dreieck
^ Fig. 2.
Q
Ferneis Instrument für Höhenwinkel.
von 8 Fuß Kathete (Fig. 2) benutzte, das
er in der Ebene des Meridians so auf
stellte, daß die Kathete AB vertikal stand.
Die Hypotenuse trug eine Einteilung, und
um den Scheitel A war ein Lineal dreh
bar, das bei A und D kleine durchbohrte
Absehen (Diopter) zum Anvisieren der