Full text: Lexikon der Astronomie

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Gradmessungen (Streit 
über die Gestalt der Erde) 
Ravenna ausgeführte Messung aus; ob 
wohl die gemessene Standlinie 547272 
bologn. Fuß betrug, so ergab sich doch der 
Meridiangrad zu 62,650 Toisen, d. h. um 
5000 Toisen zu groß. 
5) Der erste, welcher die Snelliussche 
Methode erfolgreich iu Anwendung brachte, 
ist der französische Astronom Jean Pi 
card, mit dem überhaupt eine neue Pe 
riode der astronomischen Meßkunde be 
ginnt, weil derselbe in Verbindung mit 
Auzout die zu Winkelmessungen dienenden 
Kreise mit einem Fernrohr mit Fadenkreuz 
versah und die Instrumentenfehler sorg 
fältiger zu bestimmen suchte. Picard maß 
1669—70 in Sourdan bei Amiens und 
in Malvoisine, südlich von Paris, die Ze 
nithdistanzen eines nahe am Zenith kul 
minierenden Sterns und fand 1°22' 55" 
Breitenunterschied. Beide Orte wurden 
durch 35 Dreiecke untereinander und mit 
der 5663 Toisen langen, auf einer gerad 
linigen gepflasterten Straßezwischen Ville- 
juive und Juvisy gelegenen Basis verbun 
den, deren Länge Picard mit zwei hölzer 
nen, 2 Toisen langen Stäben ermittelte, 
die er einer ausgespannten Schnur ent 
lang legte. Es ergaben sich dabei 57,060 
Toisen für die Länge eines Meridiangrads. 
Bis dahin hatte man stillschweigend an 
genommen, daß die Erdoberfläche, wie sie 
von dem Spiegel der Ozeane angedeutet 
wird, also abgesehen von den Erhebungen 
der Festländer und der Gebirge, eine Ku 
gel sei. Indessen soll schon Picard Zweifel 
an der genau kugelförmigen Gestalt der 
Erde gehegt haben, und im letzten Viertel 
des 17. Jahrh, erhob sich ein ziemlich hef 
tiger Streit um die wahre Gestalt unsers 
Planeten. Der niederländische Gelehrte 
H u y g e n s machte darauf aufmerksam, daß 
die Erde früher, ehe ihre Kruste völlig er 
starrt gewesen, infolge der Rotation um 
ihre Achse unter dem Einfluß der Zentrifu 
galkraft die Gestalt eines an den Polen 
abgeplatteten Sphäroids angenommen 
haben müsse, und zu demselben Ergebnis 
gelangte auch Newton; nur glaubte dieser, 
daß die Achse um 1-2» kleiner sei als der 
Durchmesser des Äquators, während Huy- 
gens bloß 1/687 fand. Eine Stütze fand 
diese Ansicht auch in dem Umstand, daß 
der Planet Jupiter eine Abplattung zeigt, 
die sogar bedeutend größer ist, entsprechend 
der kürzern Rotationszeit dieses Planeten, 
welche derältereCassini schon 1665nach 
wies. Als ferner 1671 der französische 
Astronom R i ch e r im Auftrag der Pariser 
Akademie nach Cayenne ging, um dort 
behufs Ermittelung der Sonnenparallare 
den Planeten Mars in seiner Opposition 
im Herbst 1672 zu beobachten, fand er, daß 
seine in Paris genau regulierte Uhr iu 
Cayenne um volle 2 Minuten täglich zu 
rückblieb, und daß das Sekundenpendel dort 
um % Pariser Linien kürzer sei als in 
Paris. Newton sah darin mit Recht einen 
Beweis für die größere Wirkung der Zen 
trifugalkraft in niedern Breiten und da 
mit eine Bestätigung für seine Theorie. 
Auch einfache Versuche konnte man zur 
Uuterstützung derselben anführen. So 
macht Hooke darauf aufmerksam, daß eiu 
Tropfen geschmolzenes Glas, den man mit 
der Glasbläserpfeife aufbläst, die Form 
einer Kugel annimmt; dreht man aber die 
Pfeife um ihre Achse, während die Glas 
kugel noch zähflüssig ist, so plattet sie sich 
deutlich ab. 
Doch auch die entgegengesetzte Ansicht, 
daß nämlich die Erde eine in Richtung der 
Achse verlängerte Gestalt habe, wurde um 
dieselbe Zeit aufgestellt. So behauptete der 
englische Geistliche Josuah Childrey in 
seiner 1667 erschienenen »Geschichte der 
Naturmerkwürdigkeiten von England, 
Schottland und Wales« (engl.), daß die 
ursprünglich kugelförmige Erde durch die 
massenhaften Schneefälle an den Polen, 
die während des Sommers nicht wegschmel 
zen, eine Verlängerung in Richtung der 
Achse erhalten haben müsse, die beständig 
noch zunehme. Sein Landsmann Thomas 
B u r n e t aber suchte den Grund der verlän 
gerten Form in der Drehung der Erde um 
ihre Achse. Wie er nämlich in der 1681 
(in latein. Sprache) erschienenen »Hei 
ligen Theorie der Erde« auseinandersetzt, 
denkt er sich, daß infolge des größer» 
Wegs, welchen die Wasserteilchen in der 
Nähe des Äquators im Laufe von 24 Stun 
den zurücklegen müssen, die Bewegung des 
Wassers dort eine lebhaftere sei aw in 
höhern Breiten; infolge derselben müsse
	        
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